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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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Mich dünkt, es ist Hemsterhuis, der es beklagt, daß
dies erhabene Lehrgebäude auf den ganzen Kreis unsrer Be-
griffe die Wirkung nicht thue, die es, wenn es zu den Zei-
ten der Griechen mit mathematischer Genauigkeit vestgestellt
wäre, auf den gesammten menschlichen Verstand würde ge-
than haben. Wir begnügen uns meistens, die Erde als ein
Staubkorn anzusehen, das in jenem großen Abgrunde
schwimmt, wo Erden um die Sonne, wo diese Sonne mit
tausend andern um ihren Mittelpunkt und vielleicht mehrere
solche Sonnensysteme in zerstreuten Räumen des Himmels
ihre Bahnen vollenden, bis endlich die Einbildungskraft so-
wohl als der Verstand in diesem Meer der Unermeßlichkeit
und ewigen Größe sich verliert und nirgend Ausgang und
Ende findet. Allein das bloße Erstaunen, das uns vernich-
tigt, ist wohl kaum die edelste und bleibendste Wirkung.
Der in sich selbst überall allgnugsamen Natur ist das Staub-
korn so werth, als ein unermeßliches Ganze. Sie bestimmte
Punkte des Raums und des Daseyns, wo Welten sich bilden
sollten und in jedem dieser Punkte ist sie mit ihrer unzertrenn-
lichen Fülle von Macht, Weisheit und Güte so ganz, als
ob keine andre Punkte der Bildung, keine andre Weltatomen
wären. Wenn ich also das große Himmelsbuch aufschlage
und diesen unermeßlichen Pallast, den allein und überall nur
die Gottheit zu erfüllen vermag, vor mir sehe: so schließe ich,

so
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Mich duͤnkt, es iſt Hemſterhuis, der es beklagt, daß
dies erhabene Lehrgebaͤude auf den ganzen Kreis unſrer Be-
griffe die Wirkung nicht thue, die es, wenn es zu den Zei-
ten der Griechen mit mathematiſcher Genauigkeit veſtgeſtellt
waͤre, auf den geſammten menſchlichen Verſtand wuͤrde ge-
than haben. Wir begnuͤgen uns meiſtens, die Erde als ein
Staubkorn anzuſehen, das in jenem großen Abgrunde
ſchwimmt, wo Erden um die Sonne, wo dieſe Sonne mit
tauſend andern um ihren Mittelpunkt und vielleicht mehrere
ſolche Sonnenſyſteme in zerſtreuten Raͤumen des Himmels
ihre Bahnen vollenden, bis endlich die Einbildungskraft ſo-
wohl als der Verſtand in dieſem Meer der Unermeßlichkeit
und ewigen Groͤße ſich verliert und nirgend Ausgang und
Ende findet. Allein das bloße Erſtaunen, das uns vernich-
tigt, iſt wohl kaum die edelſte und bleibendſte Wirkung.
Der in ſich ſelbſt uͤberall allgnugſamen Natur iſt das Staub-
korn ſo werth, als ein unermeßliches Ganze. Sie beſtimmte
Punkte des Raums und des Daſeyns, wo Welten ſich bilden
ſollten und in jedem dieſer Punkte iſt ſie mit ihrer unzertrenn-
lichen Fuͤlle von Macht, Weisheit und Guͤte ſo ganz, als
ob keine andre Punkte der Bildung, keine andre Weltatomen
waͤren. Wenn ich alſo das große Himmelsbuch aufſchlage
und dieſen unermeßlichen Pallaſt, den allein und uͤberall nur
die Gottheit zu erfuͤllen vermag, vor mir ſehe: ſo ſchließe ich,

ſo
A 3
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[5/0027] Mich duͤnkt, es iſt Hemſterhuis, der es beklagt, daß dies erhabene Lehrgebaͤude auf den ganzen Kreis unſrer Be- griffe die Wirkung nicht thue, die es, wenn es zu den Zei- ten der Griechen mit mathematiſcher Genauigkeit veſtgeſtellt waͤre, auf den geſammten menſchlichen Verſtand wuͤrde ge- than haben. Wir begnuͤgen uns meiſtens, die Erde als ein Staubkorn anzuſehen, das in jenem großen Abgrunde ſchwimmt, wo Erden um die Sonne, wo dieſe Sonne mit tauſend andern um ihren Mittelpunkt und vielleicht mehrere ſolche Sonnenſyſteme in zerſtreuten Raͤumen des Himmels ihre Bahnen vollenden, bis endlich die Einbildungskraft ſo- wohl als der Verſtand in dieſem Meer der Unermeßlichkeit und ewigen Groͤße ſich verliert und nirgend Ausgang und Ende findet. Allein das bloße Erſtaunen, das uns vernich- tigt, iſt wohl kaum die edelſte und bleibendſte Wirkung. Der in ſich ſelbſt uͤberall allgnugſamen Natur iſt das Staub- korn ſo werth, als ein unermeßliches Ganze. Sie beſtimmte Punkte des Raums und des Daſeyns, wo Welten ſich bilden ſollten und in jedem dieſer Punkte iſt ſie mit ihrer unzertrenn- lichen Fuͤlle von Macht, Weisheit und Guͤte ſo ganz, als ob keine andre Punkte der Bildung, keine andre Weltatomen waͤren. Wenn ich alſo das große Himmelsbuch aufſchlage und dieſen unermeßlichen Pallaſt, den allein und uͤberall nur die Gottheit zu erfuͤllen vermag, vor mir ſehe: ſo ſchließe ich, ſo A 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/27>, abgerufen am 23.11.2024.