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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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ge und Pforten da, auf denen sich künftig in den Gränzen
der Natur die niedern Kräfte aufschwingen und weiter bilden
sollten. Neue Gestalten erzeugeten sich nicht mehr; es wan-
deln und verwandeln sich aber durch dieselbe untere Kräfte
und was Organisation heißt, ist eigentlich nur eine Leiterin
derselben zu einer höhern Bildung.

Das erste Geschöpf, das ans Licht tritt und unter dem
Stral der Sonne sich als eine Königin des unterirrdischen
Reichs zeigt, ist die Pflanze. Was sind ihre Bestandtheile?
Salz, Oel, Eisen, Schwefel und was sonst an feinern Kräf-
ten das Unterirrdische zu ihr hinaufzuläutern vermochte.
Wie kam sie zu diesen Theilen? durch innere organische
Kraft, durch welche sie unter Beihülfe der Elemente jene
sich eigen zu machen strebet. Und was thut sie mit ihnen?
Sie ziehet sie an sich, verarbeitet sie in ihr Wesen und läu-
tert sie weiter. Giftige und gesunde Pflanzen sind also nichts
als Leiterinnen der gröbern zu feinern Theilen; das ganze
Kunstwerk des Gewächses ist, Niedriges zu Höherem hinauf-
zubilden.

Ueber der Pflanze stehet das Thier und zehrt von ihren
Säften. Der einzige Elephant ist ein Grab von Millionen
Kräutern; aber er ist ein lebendiges, auswirkendes Grab er

ani-

ge und Pforten da, auf denen ſich kuͤnftig in den Graͤnzen
der Natur die niedern Kraͤfte aufſchwingen und weiter bilden
ſollten. Neue Geſtalten erzeugeten ſich nicht mehr; es wan-
deln und verwandeln ſich aber durch dieſelbe untere Kraͤfte
und was Organiſation heißt, iſt eigentlich nur eine Leiterin
derſelben zu einer hoͤhern Bildung.

Das erſte Geſchoͤpf, das ans Licht tritt und unter dem
Stral der Sonne ſich als eine Koͤnigin des unterirrdiſchen
Reichs zeigt, iſt die Pflanze. Was ſind ihre Beſtandtheile?
Salz, Oel, Eiſen, Schwefel und was ſonſt an feinern Kraͤf-
ten das Unterirrdiſche zu ihr hinaufzulaͤutern vermochte.
Wie kam ſie zu dieſen Theilen? durch innere organiſche
Kraft, durch welche ſie unter Beihuͤlfe der Elemente jene
ſich eigen zu machen ſtrebet. Und was thut ſie mit ihnen?
Sie ziehet ſie an ſich, verarbeitet ſie in ihr Weſen und laͤu-
tert ſie weiter. Giftige und geſunde Pflanzen ſind alſo nichts
als Leiterinnen der groͤbern zu feinern Theilen; das ganze
Kunſtwerk des Gewaͤchſes iſt, Niedriges zu Hoͤherem hinauf-
zubilden.

Ueber der Pflanze ſtehet das Thier und zehrt von ihren
Saͤften. Der einzige Elephant iſt ein Grab von Millionen
Kraͤutern; aber er iſt ein lebendiges, auswirkendes Grab er

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[282[262]/0284] ge und Pforten da, auf denen ſich kuͤnftig in den Graͤnzen der Natur die niedern Kraͤfte aufſchwingen und weiter bilden ſollten. Neue Geſtalten erzeugeten ſich nicht mehr; es wan- deln und verwandeln ſich aber durch dieſelbe untere Kraͤfte und was Organiſation heißt, iſt eigentlich nur eine Leiterin derſelben zu einer hoͤhern Bildung. Das erſte Geſchoͤpf, das ans Licht tritt und unter dem Stral der Sonne ſich als eine Koͤnigin des unterirrdiſchen Reichs zeigt, iſt die Pflanze. Was ſind ihre Beſtandtheile? Salz, Oel, Eiſen, Schwefel und was ſonſt an feinern Kraͤf- ten das Unterirrdiſche zu ihr hinaufzulaͤutern vermochte. Wie kam ſie zu dieſen Theilen? durch innere organiſche Kraft, durch welche ſie unter Beihuͤlfe der Elemente jene ſich eigen zu machen ſtrebet. Und was thut ſie mit ihnen? Sie ziehet ſie an ſich, verarbeitet ſie in ihr Weſen und laͤu- tert ſie weiter. Giftige und geſunde Pflanzen ſind alſo nichts als Leiterinnen der groͤbern zu feinern Theilen; das ganze Kunſtwerk des Gewaͤchſes iſt, Niedriges zu Hoͤherem hinauf- zubilden. Ueber der Pflanze ſtehet das Thier und zehrt von ihren Saͤften. Der einzige Elephant iſt ein Grab von Millionen Kraͤutern; aber er iſt ein lebendiges, auswirkendes Grab er ani-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 282[262]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/284>, abgerufen am 27.11.2024.