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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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cherlei Schichten und Erdlagen an sie angebildete Masse, die
endlich bewohnbar worden.

Auf die Fortleitung der ersten Gebürge kams also an,
wie die Erde als vestes Land da stehen sollte; sie scheinen
gleichsam der alte Kern und die Strebepfeiler der Erde zu
seyn, auf welche Wasser und Luft nur ihre Last ablegten, bis
endlich eine Pflanzstäte der Organisation herabgedachet und
geebnet ward. Aus dem Umschwung einer Kugel sind diese
ältesten Gebürgketten nicht zu erklären: sie sind nicht in der
Gegend des Aequators, wo der Kugelschwung am größesten
war; sie laufen demselben auch nicht einmal parallel, viel-
mehr geht die Amerikanische Bergreihe gerade durch den Ae-
quator. Wir dürfen also von diesen mathematischen Bezir-
kungen hier kein Licht fodern: da überhaupt auch die höch-
sten Berge und Bergreihen gegen die Masse der Kugel in
ihrer Bewegung ein unbedeutendes Nichts sind. Jch halte
es also auch nicht für gut, in Namen der Gebürgketten Aehn-
lichkeit mit dem Aequator und den Meridianen zu substitui-
ren, da zwischen beiden kein wahrer Zusammenhang statt fin-
det und die Begriffe damit eher irre geführt würden. Auf
ihre ursprüngliche Gestalt, Erzeugung und Fortstreckung, auf
ihre Höhe und Breite, kurz auf ein physisches Naturge-
setz
kommt es an, das uns ihre Bildung und mit derselben

auch
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cherlei Schichten und Erdlagen an ſie angebildete Maſſe, die
endlich bewohnbar worden.

Auf die Fortleitung der erſten Gebuͤrge kams alſo an,
wie die Erde als veſtes Land da ſtehen ſollte; ſie ſcheinen
gleichſam der alte Kern und die Strebepfeiler der Erde zu
ſeyn, auf welche Waſſer und Luft nur ihre Laſt ablegten, bis
endlich eine Pflanzſtaͤte der Organiſation herabgedachet und
geebnet ward. Aus dem Umſchwung einer Kugel ſind dieſe
aͤlteſten Gebuͤrgketten nicht zu erklaͤren: ſie ſind nicht in der
Gegend des Aequators, wo der Kugelſchwung am groͤßeſten
war; ſie laufen demſelben auch nicht einmal parallel, viel-
mehr geht die Amerikaniſche Bergreihe gerade durch den Ae-
quator. Wir duͤrfen alſo von dieſen mathematiſchen Bezir-
kungen hier kein Licht fodern: da uͤberhaupt auch die hoͤch-
ſten Berge und Bergreihen gegen die Maſſe der Kugel in
ihrer Bewegung ein unbedeutendes Nichts ſind. Jch halte
es alſo auch nicht fuͤr gut, in Namen der Gebuͤrgketten Aehn-
lichkeit mit dem Aequator und den Meridianen zu ſubſtitui-
ren, da zwiſchen beiden kein wahrer Zuſammenhang ſtatt fin-
det und die Begriffe damit eher irre gefuͤhrt wuͤrden. Auf
ihre urſpruͤngliche Geſtalt, Erzeugung und Fortſtreckung, auf
ihre Hoͤhe und Breite, kurz auf ein phyſiſches Naturge-
ſetz
kommt es an, das uns ihre Bildung und mit derſelben

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[37/0059] cherlei Schichten und Erdlagen an ſie angebildete Maſſe, die endlich bewohnbar worden. Auf die Fortleitung der erſten Gebuͤrge kams alſo an, wie die Erde als veſtes Land da ſtehen ſollte; ſie ſcheinen gleichſam der alte Kern und die Strebepfeiler der Erde zu ſeyn, auf welche Waſſer und Luft nur ihre Laſt ablegten, bis endlich eine Pflanzſtaͤte der Organiſation herabgedachet und geebnet ward. Aus dem Umſchwung einer Kugel ſind dieſe aͤlteſten Gebuͤrgketten nicht zu erklaͤren: ſie ſind nicht in der Gegend des Aequators, wo der Kugelſchwung am groͤßeſten war; ſie laufen demſelben auch nicht einmal parallel, viel- mehr geht die Amerikaniſche Bergreihe gerade durch den Ae- quator. Wir duͤrfen alſo von dieſen mathematiſchen Bezir- kungen hier kein Licht fodern: da uͤberhaupt auch die hoͤch- ſten Berge und Bergreihen gegen die Maſſe der Kugel in ihrer Bewegung ein unbedeutendes Nichts ſind. Jch halte es alſo auch nicht fuͤr gut, in Namen der Gebuͤrgketten Aehn- lichkeit mit dem Aequator und den Meridianen zu ſubſtitui- ren, da zwiſchen beiden kein wahrer Zuſammenhang ſtatt fin- det und die Begriffe damit eher irre gefuͤhrt wuͤrden. Auf ihre urſpruͤngliche Geſtalt, Erzeugung und Fortſtreckung, auf ihre Hoͤhe und Breite, kurz auf ein phyſiſches Naturge- ſetz kommt es an, das uns ihre Bildung und mit derſelben auch E 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/59>, abgerufen am 24.11.2024.