sen die Menschen auch zu härtern und mehreren Lebensarten ihre Zuflucht nehmen. Der Neuholländer verfolgt sein Känguru und Opoßum, er schießt Vögel, fängt Fische, ißt Yam-Wur- zeln; er hat so viel Lebensarten vereinigt, als die Sphäre sei- ner rauhen Behaglichkeit fodert, bis diese sich gleichsam rün- det und er nach seiner Weise in ihr glücklich lebet. So ists mit den Neukaledoniern und Neuseeländern, die armseligen Feuerländer selbst nicht ausgenommen. Sie hatten Kähne von Baumrinden, Bogen und Pfeile, Korb und Tasche, Feuer und Hütte, Kleider und Hacken; also die Anfänge von allen den Künsten, womit die gebildetsten Erdvölker ihre Cultur vol- lendet haben; nur bei ihnen, unter dem Joch der drückenden Kälte, im ödesten Felsenlande, ist alles noch der roheste An- fang geblieben. Die Californier beweisen so viel Verstand, als ihr Land und ihre Lebensart giebt und fodert. So ists mit den Einwohnern auf Labrador und mit allen Menschen- nationen am dürftigen Rande der Erde. Allenthalben haben sie sich mit dem Mangel versöhnt und leben in ihrer erzwun- genen Thätigkeit durch erbliche Gewohnheit glücklich. Was nicht zu ihrer Nothdurft gehört, verachten sie; so gelenk der Eskimo auf dem Meer rudert: so hat er das Schwimmen noch nicht gelernet.
Auf dem großen vesten Lande unsrer Erdkugel drängen sich Menschen und Thiere mehr zusammen: der Verstand
jener
Jdeen,II.Th. X
ſen die Menſchen auch zu haͤrtern und mehreren Lebensarten ihre Zuflucht nehmen. Der Neuhollaͤnder verfolgt ſein Kaͤnguru und Opoßum, er ſchießt Voͤgel, faͤngt Fiſche, ißt Yam-Wur- zeln; er hat ſo viel Lebensarten vereinigt, als die Sphaͤre ſei- ner rauhen Behaglichkeit fodert, bis dieſe ſich gleichſam ruͤn- det und er nach ſeiner Weiſe in ihr gluͤcklich lebet. So iſts mit den Neukaledoniern und Neuſeelaͤndern, die armſeligen Feuerlaͤnder ſelbſt nicht ausgenommen. Sie hatten Kaͤhne von Baumrinden, Bogen und Pfeile, Korb und Taſche, Feuer und Huͤtte, Kleider und Hacken; alſo die Anfaͤnge von allen den Kuͤnſten, womit die gebildetſten Erdvoͤlker ihre Cultur vol- lendet haben; nur bei ihnen, unter dem Joch der druͤckenden Kaͤlte, im oͤdeſten Felſenlande, iſt alles noch der roheſte An- fang geblieben. Die Californier beweiſen ſo viel Verſtand, als ihr Land und ihre Lebensart giebt und fodert. So iſts mit den Einwohnern auf Labrador und mit allen Menſchen- nationen am duͤrftigen Rande der Erde. Allenthalben haben ſie ſich mit dem Mangel verſoͤhnt und leben in ihrer erzwun- genen Thaͤtigkeit durch erbliche Gewohnheit gluͤcklich. Was nicht zu ihrer Nothdurft gehoͤrt, verachten ſie; ſo gelenk der Eskimo auf dem Meer rudert: ſo hat er das Schwimmen noch nicht gelernet.
Auf dem großen veſten Lande unſrer Erdkugel draͤngen ſich Menſchen und Thiere mehr zuſammen: der Verſtand
jener
Jdeen,II.Th. X
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ſen die Menſchen auch zu haͤrtern und mehreren Lebensarten ihre
Zuflucht nehmen. Der Neuhollaͤnder verfolgt ſein Kaͤnguru
und Opoßum, er ſchießt Voͤgel, faͤngt Fiſche, ißt Yam-Wur-
zeln; er hat ſo viel Lebensarten vereinigt, als die Sphaͤre ſei-
ner rauhen Behaglichkeit fodert, bis dieſe ſich gleichſam ruͤn-
det und er nach ſeiner Weiſe in ihr gluͤcklich lebet. So iſts
mit den Neukaledoniern und Neuſeelaͤndern, die armſeligen
Feuerlaͤnder ſelbſt nicht ausgenommen. Sie hatten Kaͤhne von
Baumrinden, Bogen und Pfeile, Korb und Taſche, Feuer
und Huͤtte, Kleider und Hacken; alſo die Anfaͤnge von allen
den Kuͤnſten, womit die gebildetſten Erdvoͤlker ihre Cultur vol-
lendet haben; nur bei ihnen, unter dem Joch der druͤckenden
Kaͤlte, im oͤdeſten Felſenlande, iſt alles noch der roheſte An-
fang geblieben. Die Californier beweiſen ſo viel Verſtand,
als ihr Land und ihre Lebensart giebt und fodert. So iſts
mit den Einwohnern auf Labrador und mit allen Menſchen-
nationen am duͤrftigen Rande der Erde. Allenthalben haben
ſie ſich mit dem Mangel verſoͤhnt und leben in ihrer erzwun-
genen Thaͤtigkeit durch erbliche Gewohnheit gluͤcklich. Was
nicht zu ihrer Nothdurft gehoͤrt, verachten ſie; ſo gelenk der
Eskimo auf dem Meer rudert: ſo hat er das Schwimmen noch
nicht gelernet.
Auf dem großen veſten Lande unſrer Erdkugel draͤngen
ſich Menſchen und Thiere mehr zuſammen: der Verſtand
jener
Jdeen, II. Th. X
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/173>, abgerufen am 22.12.2024.
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