jener ward also durch diese auf mannichfaltigere Weise geübet. Freilich mußten die Bewohner mancher Sümpfe in Amerika auch zu Schlangen und Eidechsen, zum Jguan, Armadill und Alligator ihre Zuflucht nehmen; die meisten Nationen aber wurden Jagdvölker auf edlere Art. Was fehlt einem Nord- und Südamerikaner an Fähigkeit zum Beruf seines Lebens? Er kennt die Thiere, die er verfolgt, ihre Wohnungen, Haus- haltungen und Listen und wapnet sich gegen sie mit Stärke, Verschlagenheit und Uebung. Zum Ruhm eines Jägers, wie in Grönland eines Seehundfängers, wird der Knabe erzogen: hievon hört er Gespräche, Lieder, rühmliche Thaten, die man ihm auch in Geberden und begeisternden Tänzen vormahlet. Von Kindheit auf lernt er Werkzeuge verfertigen und sie ge- brauchen: er spielt mit den Waffen und verachtet die Weiber; denn je enger der Kreis des Lebens und je bestimmter das Werk ist, in dem man Vollkommenheit sucht; desto eher wird diese erhalten. Nichts also störet den strebenden Jüngling in sei- nem Lauf, vielmehr reizt und ermuntert ihn alles, da er im Auge seines Volks, im Stande und Beruf seiner Väter lebet. Wenn jemand ein Kunstbuch von den Geschicklichkeiten ver- schiedner Nationen zusammentrüge: so würde er solche auf unserm Erdboden zerstreuet und jede an ihrem Platz blühend finden. Hier wirft sich der Neger in die Brandung, in die sich kein Europäer wagt: dort klettert er auf Bäume, wo ihn
unser
jener ward alſo durch dieſe auf mannichfaltigere Weiſe geuͤbet. Freilich mußten die Bewohner mancher Suͤmpfe in Amerika auch zu Schlangen und Eidechſen, zum Jguan, Armadill und Alligator ihre Zuflucht nehmen; die meiſten Nationen aber wurden Jagdvoͤlker auf edlere Art. Was fehlt einem Nord- und Suͤdamerikaner an Faͤhigkeit zum Beruf ſeines Lebens? Er kennt die Thiere, die er verfolgt, ihre Wohnungen, Haus- haltungen und Liſten und wapnet ſich gegen ſie mit Staͤrke, Verſchlagenheit und Uebung. Zum Ruhm eines Jaͤgers, wie in Groͤnland eines Seehundfaͤngers, wird der Knabe erzogen: hievon hoͤrt er Geſpraͤche, Lieder, ruͤhmliche Thaten, die man ihm auch in Geberden und begeiſternden Taͤnzen vormahlet. Von Kindheit auf lernt er Werkzeuge verfertigen und ſie ge- brauchen: er ſpielt mit den Waffen und verachtet die Weiber; denn je enger der Kreis des Lebens und je beſtimmter das Werk iſt, in dem man Vollkommenheit ſucht; deſto eher wird dieſe erhalten. Nichts alſo ſtoͤret den ſtrebenden Juͤngling in ſei- nem Lauf, vielmehr reizt und ermuntert ihn alles, da er im Auge ſeines Volks, im Stande und Beruf ſeiner Vaͤter lebet. Wenn jemand ein Kunſtbuch von den Geſchicklichkeiten ver- ſchiedner Nationen zuſammentruͤge: ſo wuͤrde er ſolche auf unſerm Erdboden zerſtreuet und jede an ihrem Platz bluͤhend finden. Hier wirft ſich der Neger in die Brandung, in die ſich kein Europaͤer wagt: dort klettert er auf Baͤume, wo ihn
unſer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0174"n="162"/>
jener ward alſo durch dieſe auf mannichfaltigere Weiſe geuͤbet.<lb/>
Freilich mußten die Bewohner mancher Suͤmpfe in Amerika<lb/>
auch zu Schlangen und Eidechſen, zum Jguan, Armadill und<lb/>
Alligator ihre Zuflucht nehmen; die meiſten Nationen aber<lb/>
wurden Jagdvoͤlker auf edlere Art. Was fehlt einem Nord-<lb/>
und Suͤdamerikaner an Faͤhigkeit zum Beruf ſeines Lebens?<lb/>
Er kennt die Thiere, die er verfolgt, ihre Wohnungen, Haus-<lb/>
haltungen und Liſten und wapnet ſich gegen ſie mit Staͤrke,<lb/>
Verſchlagenheit und Uebung. Zum Ruhm eines Jaͤgers, wie<lb/>
in Groͤnland eines Seehundfaͤngers, wird der Knabe erzogen:<lb/>
hievon hoͤrt er Geſpraͤche, Lieder, ruͤhmliche Thaten, die man<lb/>
ihm auch in Geberden und begeiſternden Taͤnzen vormahlet.<lb/>
Von Kindheit auf lernt er Werkzeuge verfertigen und ſie ge-<lb/>
brauchen: er ſpielt mit den Waffen und verachtet die Weiber;<lb/>
denn je enger der Kreis des Lebens und je beſtimmter das Werk<lb/>
iſt, in dem man Vollkommenheit ſucht; deſto eher wird dieſe<lb/>
erhalten. Nichts alſo ſtoͤret den ſtrebenden Juͤngling in ſei-<lb/>
nem Lauf, vielmehr reizt und ermuntert ihn alles, da er im<lb/>
Auge ſeines Volks, im Stande und Beruf ſeiner Vaͤter lebet.<lb/>
Wenn jemand ein Kunſtbuch von den Geſchicklichkeiten ver-<lb/>ſchiedner Nationen zuſammentruͤge: ſo wuͤrde er ſolche auf<lb/>
unſerm Erdboden zerſtreuet und jede an ihrem Platz bluͤhend<lb/>
finden. Hier wirft ſich der Neger in die Brandung, in die<lb/>ſich kein Europaͤer wagt: dort klettert er auf Baͤume, wo ihn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">unſer</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[162/0174]
jener ward alſo durch dieſe auf mannichfaltigere Weiſe geuͤbet.
Freilich mußten die Bewohner mancher Suͤmpfe in Amerika
auch zu Schlangen und Eidechſen, zum Jguan, Armadill und
Alligator ihre Zuflucht nehmen; die meiſten Nationen aber
wurden Jagdvoͤlker auf edlere Art. Was fehlt einem Nord-
und Suͤdamerikaner an Faͤhigkeit zum Beruf ſeines Lebens?
Er kennt die Thiere, die er verfolgt, ihre Wohnungen, Haus-
haltungen und Liſten und wapnet ſich gegen ſie mit Staͤrke,
Verſchlagenheit und Uebung. Zum Ruhm eines Jaͤgers, wie
in Groͤnland eines Seehundfaͤngers, wird der Knabe erzogen:
hievon hoͤrt er Geſpraͤche, Lieder, ruͤhmliche Thaten, die man
ihm auch in Geberden und begeiſternden Taͤnzen vormahlet.
Von Kindheit auf lernt er Werkzeuge verfertigen und ſie ge-
brauchen: er ſpielt mit den Waffen und verachtet die Weiber;
denn je enger der Kreis des Lebens und je beſtimmter das Werk
iſt, in dem man Vollkommenheit ſucht; deſto eher wird dieſe
erhalten. Nichts alſo ſtoͤret den ſtrebenden Juͤngling in ſei-
nem Lauf, vielmehr reizt und ermuntert ihn alles, da er im
Auge ſeines Volks, im Stande und Beruf ſeiner Vaͤter lebet.
Wenn jemand ein Kunſtbuch von den Geſchicklichkeiten ver-
ſchiedner Nationen zuſammentruͤge: ſo wuͤrde er ſolche auf
unſerm Erdboden zerſtreuet und jede an ihrem Platz bluͤhend
finden. Hier wirft ſich der Neger in die Brandung, in die
ſich kein Europaͤer wagt: dort klettert er auf Baͤume, wo ihn
unſer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/174>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.