nen Vater einmal aus persönlichen Ursachen zum Richter wählte: denn der Sohn ist nicht die Person des Vaters. Und wenn sie gar für alle ihre noch Ungebohrne das Gesetz feststel- len wollte, ihn dafür erkennen zu müssen und im Namen der Vernunft ihrer aller auf ewige Zeiten hin den Vertrag machte, daß jeder Ungebohrne dieses Stamms der gebohrne Richter, Führer und Hirt der Nation d. i. der tapferste, billigste, klügste des ganzen Volks seyn und dafür der Geburt wegen von jeder- mann erkannt werden müste; so würde es schwer seyn, einen Erbvertrag dieser Art ich will nicht sagen mit dem Recht son- dern nur mit der Vernunft zu reimen. Die Natur theilet ihre edelsten Gaben nicht Familienweise aus und das Recht des Blutes, nach welchem ein Ungebohrner über den andern Ungebohrnen, wenn beide einst gebohren seyn werden, durchs Recht der Geburt zu herrschen das Recht habe, ist für mich eine der dunkelsten Formeln der menschlichen Sprache.
Es müssen andre Gründe vorhanden seyn, die die Erb- regierungen unter den Menschen einführten und die Ge- schichte verschweigt uns diese Gründe nicht. Wer hat Deutsch- land, wer hat dem cultivirten Europa seine Regierungen ge- geben? Der Krieg. Horden von Barbaren überfielen den Welttheil: ihre Anführer und Edeln theilten unter sich Län- der und Menschen. Daher entsprangen Fürstenthümer und
Lehne:
nen Vater einmal aus perſoͤnlichen Urſachen zum Richter waͤhlte: denn der Sohn iſt nicht die Perſon des Vaters. Und wenn ſie gar fuͤr alle ihre noch Ungebohrne das Geſetz feſtſtel- len wollte, ihn dafuͤr erkennen zu muͤſſen und im Namen der Vernunft ihrer aller auf ewige Zeiten hin den Vertrag machte, daß jeder Ungebohrne dieſes Stamms der gebohrne Richter, Fuͤhrer und Hirt der Nation d. i. der tapferſte, billigſte, kluͤgſte des ganzen Volks ſeyn und dafuͤr der Geburt wegen von jeder- mann erkannt werden muͤſte; ſo wuͤrde es ſchwer ſeyn, einen Erbvertrag dieſer Art ich will nicht ſagen mit dem Recht ſon- dern nur mit der Vernunft zu reimen. Die Natur theilet ihre edelſten Gaben nicht Familienweiſe aus und das Recht des Blutes, nach welchem ein Ungebohrner uͤber den andern Ungebohrnen, wenn beide einſt gebohren ſeyn werden, durchs Recht der Geburt zu herrſchen das Recht habe, iſt fuͤr mich eine der dunkelſten Formeln der menſchlichen Sprache.
Es muͤſſen andre Gruͤnde vorhanden ſeyn, die die Erb- regierungen unter den Menſchen einfuͤhrten und die Ge- ſchichte verſchweigt uns dieſe Gruͤnde nicht. Wer hat Deutſch- land, wer hat dem cultivirten Europa ſeine Regierungen ge- geben? Der Krieg. Horden von Barbaren uͤberfielen den Welttheil: ihre Anfuͤhrer und Edeln theilten unter ſich Laͤn- der und Menſchen. Daher entſprangen Fuͤrſtenthuͤmer und
Lehne:
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nen Vater einmal aus perſoͤnlichen Urſachen zum Richter
waͤhlte: denn der Sohn iſt nicht die Perſon des Vaters. Und
wenn ſie gar fuͤr alle ihre noch Ungebohrne das Geſetz feſtſtel-
len wollte, ihn dafuͤr erkennen zu muͤſſen und im Namen der
Vernunft ihrer aller auf ewige Zeiten hin den Vertrag machte,
daß jeder Ungebohrne dieſes Stamms der gebohrne Richter,
Fuͤhrer und Hirt der Nation d. i. der tapferſte, billigſte, kluͤgſte
des ganzen Volks ſeyn und dafuͤr der Geburt wegen von jeder-
mann erkannt werden muͤſte; ſo wuͤrde es ſchwer ſeyn, einen
Erbvertrag dieſer Art ich will nicht ſagen mit dem Recht ſon-
dern nur mit der Vernunft zu reimen. Die Natur theilet
ihre edelſten Gaben nicht Familienweiſe aus und das Recht
des Blutes, nach welchem ein Ungebohrner uͤber den andern
Ungebohrnen, wenn beide einſt gebohren ſeyn werden, durchs
Recht der Geburt zu herrſchen das Recht habe, iſt fuͤr mich
eine der dunkelſten Formeln der menſchlichen Sprache.
Es muͤſſen andre Gruͤnde vorhanden ſeyn, die die Erb-
regierungen unter den Menſchen einfuͤhrten und die Ge-
ſchichte verſchweigt uns dieſe Gruͤnde nicht. Wer hat Deutſch-
land, wer hat dem cultivirten Europa ſeine Regierungen ge-
geben? Der Krieg. Horden von Barbaren uͤberfielen den
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/264>, abgerufen am 22.12.2024.
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