Schöpfung. Er macht sie zum Mittelpunkt seines Symbols: denn allerdings erhalten sie unsre Erde und alle organische Geburten derselben im Lauf und sind also wie er sagt, Könige der Zeiten; organische Kräfte selbst aber geben sie nicht und leuchten solche nicht hernieder. Noch jetzt scheint die Sonne, wie sie im Anfange der Schöpfung schien; sie erweckt und or- ganisirt aber keine neuen Geschlechter: denn auch aus der Fäulniß würde die Wärme nicht das kleinste Lebendige entwi- ckeln, wenn die Kraft seiner Schöpfung nicht schon zum näch- sten Uebergange daselbst bereit läge. Sonne und Gestirne treten also in diesem Naturgemälde auf, sobald sie auftreten können, da nämlich die Luft geläutert und die Erde aufgebauet da steht; aber nur als Zeugen der Schöpfung, als beherr- schende Regenten eines durch sich selbst organischen Kreises.
Zweitens. Vom Anfange der Erde ist der Mond da: für mich ein schönes Zeugniß dieses alten Naturbildes. Die Meinung derer, die ihn für einen spätern Nachbar der Erde halten und seiner Ankunft alle Unordnungen auf und in der- selben zuschreiben, hat für mich keine Ueberredung. Sie ist ohne allen physischen Erweis, indem jede scheinbare Unord- nung unsres Planeten nicht nur ohne diese Hypothese erklärt werden kann, sondern auch durch diese bessere Erklärung Un- ordnung zu seyn aufhöret. Offenbar nämlich konnte unsre
Erde
Jdeen,II.Th. S s
Schoͤpfung. Er macht ſie zum Mittelpunkt ſeines Symbols: denn allerdings erhalten ſie unſre Erde und alle organiſche Geburten derſelben im Lauf und ſind alſo wie er ſagt, Koͤnige der Zeiten; organiſche Kraͤfte ſelbſt aber geben ſie nicht und leuchten ſolche nicht hernieder. Noch jetzt ſcheint die Sonne, wie ſie im Anfange der Schoͤpfung ſchien; ſie erweckt und or- ganiſirt aber keine neuen Geſchlechter: denn auch aus der Faͤulniß wuͤrde die Waͤrme nicht das kleinſte Lebendige entwi- ckeln, wenn die Kraft ſeiner Schoͤpfung nicht ſchon zum naͤch- ſten Uebergange daſelbſt bereit laͤge. Sonne und Geſtirne treten alſo in dieſem Naturgemaͤlde auf, ſobald ſie auftreten koͤnnen, da naͤmlich die Luft gelaͤutert und die Erde aufgebauet da ſteht; aber nur als Zeugen der Schoͤpfung, als beherr- ſchende Regenten eines durch ſich ſelbſt organiſchen Kreiſes.
Zweitens. Vom Anfange der Erde iſt der Mond da: fuͤr mich ein ſchoͤnes Zeugniß dieſes alten Naturbildes. Die Meinung derer, die ihn fuͤr einen ſpaͤtern Nachbar der Erde halten und ſeiner Ankunft alle Unordnungen auf und in der- ſelben zuſchreiben, hat fuͤr mich keine Ueberredung. Sie iſt ohne allen phyſiſchen Erweis, indem jede ſcheinbare Unord- nung unſres Planeten nicht nur ohne dieſe Hypotheſe erklaͤrt werden kann, ſondern auch durch dieſe beſſere Erklaͤrung Un- ordnung zu ſeyn aufhoͤret. Offenbar naͤmlich konnte unſre
Erde
Jdeen,II.Th. S ſ
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Schoͤpfung. Er macht ſie zum Mittelpunkt ſeines Symbols:
denn allerdings erhalten ſie unſre Erde und alle organiſche
Geburten derſelben im Lauf und ſind alſo wie er ſagt, Koͤnige
der Zeiten; organiſche Kraͤfte ſelbſt aber geben ſie nicht und
leuchten ſolche nicht hernieder. Noch jetzt ſcheint die Sonne,
wie ſie im Anfange der Schoͤpfung ſchien; ſie erweckt und or-
ganiſirt aber keine neuen Geſchlechter: denn auch aus der
Faͤulniß wuͤrde die Waͤrme nicht das kleinſte Lebendige entwi-
ckeln, wenn die Kraft ſeiner Schoͤpfung nicht ſchon zum naͤch-
ſten Uebergange daſelbſt bereit laͤge. Sonne und Geſtirne
treten alſo in dieſem Naturgemaͤlde auf, ſobald ſie auftreten
koͤnnen, da naͤmlich die Luft gelaͤutert und die Erde aufgebauet
da ſteht; aber nur als Zeugen der Schoͤpfung, als beherr-
ſchende Regenten eines durch ſich ſelbſt organiſchen Kreiſes.
Zweitens. Vom Anfange der Erde iſt der Mond da:
fuͤr mich ein ſchoͤnes Zeugniß dieſes alten Naturbildes. Die
Meinung derer, die ihn fuͤr einen ſpaͤtern Nachbar der Erde
halten und ſeiner Ankunft alle Unordnungen auf und in der-
ſelben zuſchreiben, hat fuͤr mich keine Ueberredung. Sie iſt
ohne allen phyſiſchen Erweis, indem jede ſcheinbare Unord-
nung unſres Planeten nicht nur ohne dieſe Hypotheſe erklaͤrt
werden kann, ſondern auch durch dieſe beſſere Erklaͤrung Un-
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/333>, abgerufen am 22.12.2024.
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