Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.Das aber glauben Sie, daß die Poesie Wir, meine Freunde, wollen den Gar- Das aber glauben Sie, daß die Poeſie Wir, meine Freunde, wollen den Gar- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0178" n="171"/> <p>Das aber glauben Sie, daß die Poeſie<lb/> als eine <hi rendition="#g">Stimme der Zeit</hi> unwandel-<lb/> bar dem Geiſte der Zeit folge; ja oft iſt ſie<lb/> eine helle Weißagung zukuͤnftiger Zeiten.<lb/> Leſen Sie in <hi rendition="#g">Stolbergs</hi> Jamben, 1784<lb/> gedruckt, (S. 66.) den <hi rendition="#g">Rath</hi> und mehrere<lb/> Gedichte; leſen Sie mehrere, fruͤhere und<lb/> ſpaͤtere Oden <hi rendition="#g">Klopſtocks</hi>, und laͤugnen<lb/> noch, daß auch auf Deutſchen Hoͤhen oder<lb/> in ihren Thaͤlern ein prophetiſcher Geiſt der<lb/> Zeiten wehe. Schade nur, daß er nicht<lb/> vernommen wird: denn um aller Deutſchen<lb/> Redlichkeit willen, welcher Mann von Ge-<lb/> ſchaͤften laͤſe ein Gedicht, um in ihm die<lb/> Stimme der Zeit zu hoͤren! —</p><lb/> <p>Wir, meine Freunde, wollen den Gar-<lb/> ten der Grazien und Muſen in der Stille<lb/> bauen. Verſtaͤndiger <hi rendition="#g">Homer</hi>, edler <hi rendition="#g">Pin</hi>-<lb/><hi rendition="#g">dar</hi>, und ihr ſanften Weiſen, <hi rendition="#g">Pythago</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ras</hi>, <hi rendition="#g">Sokrates</hi>, <hi rendition="#g">Plato</hi>, <hi rendition="#g">Ariſtoteles</hi>,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [171/0178]
Das aber glauben Sie, daß die Poeſie
als eine Stimme der Zeit unwandel-
bar dem Geiſte der Zeit folge; ja oft iſt ſie
eine helle Weißagung zukuͤnftiger Zeiten.
Leſen Sie in Stolbergs Jamben, 1784
gedruckt, (S. 66.) den Rath und mehrere
Gedichte; leſen Sie mehrere, fruͤhere und
ſpaͤtere Oden Klopſtocks, und laͤugnen
noch, daß auch auf Deutſchen Hoͤhen oder
in ihren Thaͤlern ein prophetiſcher Geiſt der
Zeiten wehe. Schade nur, daß er nicht
vernommen wird: denn um aller Deutſchen
Redlichkeit willen, welcher Mann von Ge-
ſchaͤften laͤſe ein Gedicht, um in ihm die
Stimme der Zeit zu hoͤren! —
Wir, meine Freunde, wollen den Gar-
ten der Grazien und Muſen in der Stille
bauen. Verſtaͤndiger Homer, edler Pin-
dar, und ihr ſanften Weiſen, Pythago-
ras, Sokrates, Plato, Ariſtoteles,
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