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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

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Trostlos unter. Hier also auf dem Grabe
des Verstorbnen, als auf einer heiligen
Freistäte, müssen Wahrheit und Menschlich-
keit, diese sanft und rührend, jene unpar-
theiisch und strenge ihre Stimmen erheben,
und sprechen: "dieser Mann ward unter-
drückt, jener gemißbraucht, dieser verlockt
und gestohlen. Ohne Recht und Urtheil
schmachtete er viele Jahre im Felsenkerker;
das Auge seines Fürsten weidete sich an ihm;
seine späte Entlassung ward Gnade, und
nie bekam er die Ursache seines Gefängnisses
zu wissen, bis an den Tag seines Todes." *)
Wahre Begegnisse dieser Art müßten von
Munde zu Munde, von Tagebuch zu Tage-

buch
*) Eine sehr bekannte Deutsche Geschichte,
über welche jetzt der zweite Theil von Schubarts
selbst geschriebenem Leben Auskunft giebt.
A. d. H.

Troſtlos unter. Hier alſo auf dem Grabe
des Verſtorbnen, als auf einer heiligen
Freiſtaͤte, muͤſſen Wahrheit und Menſchlich-
keit, dieſe ſanft und ruͤhrend, jene unpar-
theiiſch und ſtrenge ihre Stimmen erheben,
und ſprechen: „dieſer Mann ward unter-
druͤckt, jener gemißbraucht, dieſer verlockt
und geſtohlen. Ohne Recht und Urtheil
ſchmachtete er viele Jahre im Felſenkerker;
das Auge ſeines Fuͤrſten weidete ſich an ihm;
ſeine ſpaͤte Entlaſſung ward Gnade, und
nie bekam er die Urſache ſeines Gefaͤngniſſes
zu wiſſen, bis an den Tag ſeines Todes.“ *)
Wahre Begegniſſe dieſer Art muͤßten von
Munde zu Munde, von Tagebuch zu Tage-

buch
*) Eine ſehr bekannte Deutſche Geſchichte,
uͤber welche jetzt der zweite Theil von Schubarts
ſelbſt geſchriebenem Leben Auskunft giebt.
A. d. H.
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[48/0055] Troſtlos unter. Hier alſo auf dem Grabe des Verſtorbnen, als auf einer heiligen Freiſtaͤte, muͤſſen Wahrheit und Menſchlich- keit, dieſe ſanft und ruͤhrend, jene unpar- theiiſch und ſtrenge ihre Stimmen erheben, und ſprechen: „dieſer Mann ward unter- druͤckt, jener gemißbraucht, dieſer verlockt und geſtohlen. Ohne Recht und Urtheil ſchmachtete er viele Jahre im Felſenkerker; das Auge ſeines Fuͤrſten weidete ſich an ihm; ſeine ſpaͤte Entlaſſung ward Gnade, und nie bekam er die Urſache ſeines Gefaͤngniſſes zu wiſſen, bis an den Tag ſeines Todes.“ *) Wahre Begegniſſe dieſer Art muͤßten von Munde zu Munde, von Tagebuch zu Tage- buch *) Eine ſehr bekannte Deutſche Geſchichte, uͤber welche jetzt der zweite Theil von Schubarts ſelbſt geſchriebenem Leben Auskunft giebt. A. d. H.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/55>, abgerufen am 09.11.2024.