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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

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Fast immer tönet diese Stimme um mein
Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften lese.
Man wandelt in ihnen wie auf klaßischem
Boden; ein Gefühl für die Würde, den
Werth, die Schönheit der Wissenschaften
ist in seine kleinsten und größesten Aufsätze
verbreitet.

Insonderheit lebt sein Geist in einer ge-
wißen Reihe erwählter größerer
Seelen
, die er, meistens aus dem Alter-
thum, sich zu Lieblingsnamen seiner Phan-
tasie, zu Vorbildern, an denen er gern
verweilet, ausersehen hatte. In Hand-
lungen des Krieges und des Friedens, in
Geschäften der Regierung, und in Bezie-
hungen der Menschheit kommen sie ihm oft
wieder, als alte Lehrer und Freunde; so
wie es denn bekannt ist, daß er nur wenige
Schriftsteller, diese aber immer von neuem
las und in seine Gedanken prägte. Nach

Faſt immer toͤnet dieſe Stimme um mein
Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften leſe.
Man wandelt in ihnen wie auf klaßiſchem
Boden; ein Gefuͤhl fuͤr die Wuͤrde, den
Werth, die Schoͤnheit der Wiſſenſchaften
iſt in ſeine kleinſten und groͤßeſten Aufſaͤtze
verbreitet.

Inſonderheit lebt ſein Geiſt in einer ge-
wißen Reihe erwaͤhlter groͤßerer
Seelen
, die er, meiſtens aus dem Alter-
thum, ſich zu Lieblingsnamen ſeiner Phan-
taſie, zu Vorbildern, an denen er gern
verweilet, auserſehen hatte. In Hand-
lungen des Krieges und des Friedens, in
Geſchaͤften der Regierung, und in Bezie-
hungen der Menſchheit kommen ſie ihm oft
wieder, als alte Lehrer und Freunde; ſo
wie es denn bekannt iſt, daß er nur wenige
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las und in ſeine Gedanken praͤgte. Nach

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[72/0079] Faſt immer toͤnet dieſe Stimme um mein Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften leſe. Man wandelt in ihnen wie auf klaßiſchem Boden; ein Gefuͤhl fuͤr die Wuͤrde, den Werth, die Schoͤnheit der Wiſſenſchaften iſt in ſeine kleinſten und groͤßeſten Aufſaͤtze verbreitet. Inſonderheit lebt ſein Geiſt in einer ge- wißen Reihe erwaͤhlter groͤßerer Seelen, die er, meiſtens aus dem Alter- thum, ſich zu Lieblingsnamen ſeiner Phan- taſie, zu Vorbildern, an denen er gern verweilet, auserſehen hatte. In Hand- lungen des Krieges und des Friedens, in Geſchaͤften der Regierung, und in Bezie- hungen der Menſchheit kommen ſie ihm oft wieder, als alte Lehrer und Freunde; ſo wie es denn bekannt iſt, daß er nur wenige Schriftſteller, dieſe aber immer von neuem las und in ſeine Gedanken praͤgte. Nach

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/79>, abgerufen am 21.11.2024.