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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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Hoffen Sie viel, sehr viel von aufge-
klärten, guten Fürsten; das Unmögliche
aber hoffen Sie nie. Auch sie sind Men-
schen; und nach ihrer gewöhnlichen Erzie-
hung ists oft zu bewundern, daß sie es noch
blieben. Sie tragen die Feßeln ihres
Standes; die engste Feßel ist ihre eigne von
Kindheit auf gewonnene Denkart. Selten
giebt es einen Friederich, der sich über das
Gewohnte seiner Zeit früh und doch mit
Weisheit hinaussetzt; selten! Zudem be-
dürfen sie als Regenten gnugsame Kenntniß
der Dinge, Ueberlegung mit andern, zur
Ausführung Werkzeuge. Wenn sie diese
nun nicht finden, wenn diese sie hintergehen
und täuschen, wenn sie endlich aus Miß-
trauen zu diesen unschicklicher Weise selbst
zur Sache greifen; so wird die Geschichte
Josephs II. daraus, der mit den reinsten,
nothwendigsten, besten Absichten von der

D 4

Hoffen Sie viel, ſehr viel von aufge-
klaͤrten, guten Fuͤrſten; das Unmoͤgliche
aber hoffen Sie nie. Auch ſie ſind Men-
ſchen; und nach ihrer gewoͤhnlichen Erzie-
hung iſts oft zu bewundern, daß ſie es noch
blieben. Sie tragen die Feßeln ihres
Standes; die engſte Feßel iſt ihre eigne von
Kindheit auf gewonnene Denkart. Selten
giebt es einen Friederich, der ſich uͤber das
Gewohnte ſeiner Zeit fruͤh und doch mit
Weisheit hinausſetzt; ſelten! Zudem be-
duͤrfen ſie als Regenten gnugſame Kenntniß
der Dinge, Ueberlegung mit andern, zur
Ausfuͤhrung Werkzeuge. Wenn ſie dieſe
nun nicht finden, wenn dieſe ſie hintergehen
und taͤuſchen, wenn ſie endlich aus Miß-
trauen zu dieſen unſchicklicher Weiſe ſelbſt
zur Sache greifen; ſo wird die Geſchichte
Joſephs II. daraus, der mit den reinſten,
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[55/0060] Hoffen Sie viel, ſehr viel von aufge- klaͤrten, guten Fuͤrſten; das Unmoͤgliche aber hoffen Sie nie. Auch ſie ſind Men- ſchen; und nach ihrer gewoͤhnlichen Erzie- hung iſts oft zu bewundern, daß ſie es noch blieben. Sie tragen die Feßeln ihres Standes; die engſte Feßel iſt ihre eigne von Kindheit auf gewonnene Denkart. Selten giebt es einen Friederich, der ſich uͤber das Gewohnte ſeiner Zeit fruͤh und doch mit Weisheit hinausſetzt; ſelten! Zudem be- duͤrfen ſie als Regenten gnugſame Kenntniß der Dinge, Ueberlegung mit andern, zur Ausfuͤhrung Werkzeuge. Wenn ſie dieſe nun nicht finden, wenn dieſe ſie hintergehen und taͤuſchen, wenn ſie endlich aus Miß- trauen zu dieſen unſchicklicher Weiſe ſelbſt zur Sache greifen; ſo wird die Geſchichte Joſephs II. daraus, der mit den reinſten, nothwendigſten, beſten Abſichten von der D 4

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/60>, abgerufen am 04.12.2024.