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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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Welt im Hafen selbst scheiterte. Ach, es
muß ein Gott vom Himmel kommen, oder
außerordentlich-gute und große, das ist,
wahrhaftig göttliche Menschen senden; oder
die Verbeßerung der Welt auf dem gewöhn-
lichen Wege der Zeit geht sehr langsam.

Laßen Sie mich die herrschenden Gesin-
nungen andrer Stände und Innungen nicht
durchgehn. Jede Zunft hat ihren Zunft-
geist; der feßelt, zumal in unsern Zeiten,
auch den besten Gemüthern Herzen und
Hände. Man fühlt die Wände des alten
Systems erschüttert, und fürchtet den Fall
des ganzen Gebäudes; um so mißtrauischer
hält man sich also an jeden Balken, an jeden
Span des Balkens, und glaubt, mit ihm
schon gehe alles verloren. Das alte Schwert
ist verrostet; desto ängstlicher putzt man Griff
und Scheide.


Welt im Hafen ſelbſt ſcheiterte. Ach, es
muß ein Gott vom Himmel kommen, oder
außerordentlich-gute und große, das iſt,
wahrhaftig goͤttliche Menſchen ſenden; oder
die Verbeßerung der Welt auf dem gewoͤhn-
lichen Wege der Zeit geht ſehr langſam.

Laßen Sie mich die herrſchenden Geſin-
nungen andrer Staͤnde und Innungen nicht
durchgehn. Jede Zunft hat ihren Zunft-
geiſt; der feßelt, zumal in unſern Zeiten,
auch den beſten Gemuͤthern Herzen und
Haͤnde. Man fuͤhlt die Waͤnde des alten
Syſtems erſchuͤttert, und fuͤrchtet den Fall
des ganzen Gebaͤudes; um ſo mißtrauiſcher
haͤlt man ſich alſo an jeden Balken, an jeden
Span des Balkens, und glaubt, mit ihm
ſchon gehe alles verloren. Das alte Schwert
iſt verroſtet; deſto aͤngſtlicher putzt man Griff
und Scheide.


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[56/0061] Welt im Hafen ſelbſt ſcheiterte. Ach, es muß ein Gott vom Himmel kommen, oder außerordentlich-gute und große, das iſt, wahrhaftig goͤttliche Menſchen ſenden; oder die Verbeßerung der Welt auf dem gewoͤhn- lichen Wege der Zeit geht ſehr langſam. Laßen Sie mich die herrſchenden Geſin- nungen andrer Staͤnde und Innungen nicht durchgehn. Jede Zunft hat ihren Zunft- geiſt; der feßelt, zumal in unſern Zeiten, auch den beſten Gemuͤthern Herzen und Haͤnde. Man fuͤhlt die Waͤnde des alten Syſtems erſchuͤttert, und fuͤrchtet den Fall des ganzen Gebaͤudes; um ſo mißtrauiſcher haͤlt man ſich alſo an jeden Balken, an jeden Span des Balkens, und glaubt, mit ihm ſchon gehe alles verloren. Das alte Schwert iſt verroſtet; deſto aͤngſtlicher putzt man Griff und Scheide.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/61>, abgerufen am 09.11.2024.