"Aus den Schriftstellern sollte man aus- ziehen, nicht nur was irgend nur Einmal, sondern von wem es zuerst gesagt sei. Hier muß man von den ältesten Zeiten anfangen, doch aber nicht Alles erzählen, sondern was zum Unterricht des menschlichen Ge- schlechts dienet, auswählen. Wenn die Welt noch tausend Jahre steht, und so viel Bücher wie heut zu Tage fortgeschrie- ben werden; so fürchte ich, aus Bibliothe- ken werden ganze Städte werden, deren viele dann durch mancherlei Zufälle und schwere Zeitumstände ihr Ende finden wer- den. Daher wäre es nöthig, aus einzelnen und zwar den Original-Schriftstellern, die andre nicht ausschrieben, Eklogen wie Photius zu machen, und ihr Merkwürdi- ges mit den Worten des Schriftstellers selbst zu sammeln. Was aber merkwürdig sei, kann, bei der großen Verschiedenheit der
„Aus den Schriftſtellern ſollte man aus- ziehen, nicht nur was irgend nur Einmal, ſondern von wem es zuerſt geſagt ſei. Hier muß man von den aͤlteſten Zeiten anfangen, doch aber nicht Alles erzaͤhlen, ſondern was zum Unterricht des menſchlichen Ge- ſchlechts dienet, auswaͤhlen. Wenn die Welt noch tauſend Jahre ſteht, und ſo viel Buͤcher wie heut zu Tage fortgeſchrie- ben werden; ſo fuͤrchte ich, aus Bibliothe- ken werden ganze Staͤdte werden, deren viele dann durch mancherlei Zufaͤlle und ſchwere Zeitumſtaͤnde ihr Ende finden wer- den. Daher waͤre es noͤthig, aus einzelnen und zwar den Original-Schriftſtellern, die andre nicht ausſchrieben, Eklogen wie Photius zu machen, und ihr Merkwuͤrdi- ges mit den Worten des Schriftſtellers ſelbſt zu ſammeln. Was aber merkwuͤrdig ſei, kann, bei der großen Verſchiedenheit der
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„Aus den Schriftſtellern ſollte man aus-
ziehen, nicht nur was irgend nur Einmal,
ſondern von wem es zuerſt geſagt ſei. Hier
muß man von den aͤlteſten Zeiten anfangen,
doch aber nicht Alles erzaͤhlen, ſondern was
zum Unterricht des menſchlichen Ge-
ſchlechts dienet, auswaͤhlen. Wenn
die Welt noch tauſend Jahre ſteht, und ſo
viel Buͤcher wie heut zu Tage fortgeſchrie-
ben werden; ſo fuͤrchte ich, aus Bibliothe-
ken werden ganze Staͤdte werden, deren
viele dann durch mancherlei Zufaͤlle und
ſchwere Zeitumſtaͤnde ihr Ende finden wer-
den. Daher waͤre es noͤthig, aus einzelnen
und zwar den Original-Schriftſtellern, die
andre nicht ausſchrieben, Eklogen wie
Photius zu machen, und ihr Merkwuͤrdi-
ges mit den Worten des Schriftſtellers ſelbſt
zu ſammeln. Was aber merkwuͤrdig ſei,
kann, bei der großen Verſchiedenheit der
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/188>, abgerufen am 17.02.2025.
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