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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

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barischer Dürftigkeit nicht längst entwun-
den?

Ohne Zweifel müssen Sie in Statuen
sowohl als auf allen griechischen Denkma-
len den bescheidenen und vesten
Stand
, die ruhige Stellung der
Personen beiderlei Geschlechts, die nicht
Fechter, oder Faunen sind, bemerkt ha-
ben; Winkelmann hat darüber seine
für die Schönheit sehr empfindliche Seele
reich ausgeschüttet, und den zarten Ge-
müthscharakter, den diese Ruhe ver-
räth, unübertreflich geschildert. Verglei-
chen Sie damit unsre alten Gemälde in
Spanischer Tracht mit ihrem Ritter- und
Heldentritte, oder alle jene gewohnten
Gebehrden, die uns das Etiquett der Ge-
sellschaft auflegt. Beide Geschlechter haben
in ihrer Kleidung fast keine natürliche
Stellung mehr; Hände und Füße sind uns

bariſcher Duͤrftigkeit nicht laͤngſt entwun-
den?

Ohne Zweifel muͤſſen Sie in Statuen
ſowohl als auf allen griechiſchen Denkma-
len den beſcheidenen und veſten
Stand
, die ruhige Stellung der
Perſonen beiderlei Geſchlechts, die nicht
Fechter, oder Faunen ſind, bemerkt ha-
ben; Winkelmann hat daruͤber ſeine
fuͤr die Schoͤnheit ſehr empfindliche Seele
reich ausgeſchuͤttet, und den zarten Ge-
muͤthscharakter, den dieſe Ruhe ver-
raͤth, unuͤbertreflich geſchildert. Verglei-
chen Sie damit unſre alten Gemaͤlde in
Spaniſcher Tracht mit ihrem Ritter- und
Heldentritte, oder alle jene gewohnten
Gebehrden, die uns das Etiquett der Ge-
ſellſchaft auflegt. Beide Geſchlechter haben
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[88/0103] bariſcher Duͤrftigkeit nicht laͤngſt entwun- den? Ohne Zweifel muͤſſen Sie in Statuen ſowohl als auf allen griechiſchen Denkma- len den beſcheidenen und veſten Stand, die ruhige Stellung der Perſonen beiderlei Geſchlechts, die nicht Fechter, oder Faunen ſind, bemerkt ha- ben; Winkelmann hat daruͤber ſeine fuͤr die Schoͤnheit ſehr empfindliche Seele reich ausgeſchuͤttet, und den zarten Ge- muͤthscharakter, den dieſe Ruhe ver- raͤth, unuͤbertreflich geſchildert. Verglei- chen Sie damit unſre alten Gemaͤlde in Spaniſcher Tracht mit ihrem Ritter- und Heldentritte, oder alle jene gewohnten Gebehrden, die uns das Etiquett der Ge- ſellſchaft auflegt. Beide Geſchlechter haben in ihrer Kleidung faſt keine natuͤrliche Stellung mehr; Haͤnde und Fuͤße ſind uns

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/103>, abgerufen am 21.11.2024.