zur Last, und jene ruhige Innigkeit, die von keiner Repräsentation weiß, die auch in der Bewegung ganz für sich da ist; wir sehen sie kaum noch an einigen glück- lichen Ausnahmen, in denen wir sie Un- erzogenheit oder Naivetät zu nennen gewohnt sind. Und doch ist diese nüchter- ne Innigkeit die Grundlage aller wah- ren und ruhigen Besinnung im Men- schen, so wie sie das Kennzeichen einer reinen Unbefangenheit, eines richti- gen Gefühls, eines tieferen Mitge- fühls, kurz der einzigen und ächten Humanität ist. Wer in seinen Bewe- gungen zeigt, daß er nicht Zeit habe, zwei Augenblicke in sich selbst zu verweilen und ohne Rücksicht der Dinge, die außer ihm sind, sein Geschäft zu treiben, ist ein un- reifes Geschöpf der Menschheit. Nur An- triebe von aussen, Sturm und Zwang
zur Laſt, und jene ruhige Innigkeit, die von keiner Repraͤſentation weiß, die auch in der Bewegung ganz fuͤr ſich da iſt; wir ſehen ſie kaum noch an einigen gluͤck- lichen Ausnahmen, in denen wir ſie Un- erzogenheit oder Naivetaͤt zu nennen gewohnt ſind. Und doch iſt dieſe nuͤchter- ne Innigkeit die Grundlage aller wah- ren und ruhigen Beſinnung im Men- ſchen, ſo wie ſie das Kennzeichen einer reinen Unbefangenheit, eines richti- gen Gefuͤhls, eines tieferen Mitge- fuͤhls, kurz der einzigen und aͤchten Humanitaͤt iſt. Wer in ſeinen Bewe- gungen zeigt, daß er nicht Zeit habe, zwei Augenblicke in ſich ſelbſt zu verweilen und ohne Ruͤckſicht der Dinge, die außer ihm ſind, ſein Geſchaͤft zu treiben, iſt ein un- reifes Geſchoͤpf der Menſchheit. Nur An- triebe von auſſen, Sturm und Zwang
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zur Laſt, und jene ruhige Innigkeit, die
von keiner Repraͤſentation weiß, die auch
in der Bewegung ganz fuͤr ſich da iſt;
wir ſehen ſie kaum noch an einigen gluͤck-
lichen Ausnahmen, in denen wir ſie Un-
erzogenheit oder Naivetaͤt zu nennen
gewohnt ſind. Und doch iſt dieſe nuͤchter-
ne Innigkeit die Grundlage aller wah-
ren und ruhigen Beſinnung im Men-
ſchen, ſo wie ſie das Kennzeichen einer
reinen Unbefangenheit, eines richti-
gen Gefuͤhls, eines tieferen Mitge-
fuͤhls, kurz der einzigen und aͤchten
Humanitaͤt iſt. Wer in ſeinen Bewe-
gungen zeigt, daß er nicht Zeit habe, zwei
Augenblicke in ſich ſelbſt zu verweilen und
ohne Ruͤckſicht der Dinge, die außer ihm
ſind, ſein Geſchaͤft zu treiben, iſt ein un-
reifes Geſchoͤpf der Menſchheit. Nur An-
triebe von auſſen, Sturm und Zwang
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/104>, abgerufen am 16.02.2025.
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