Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

drückt, mit dem er ihn aufnimmt. In
allen Compositionen der Angelika ist
diese ihr eingebohrne moralische Grazie
der Charakter ihrer Menschen. Selbst der
Wilde wird durch ihre Hand milde; ihre
Jünglinge schweben wie Genien auf der
Erde; nie war ihr Pinsel eine freche Ge-
behrde zu schildern vermögend. Wie etwa
ein Schuldloser Geist sich menschliche Cha-
raktere denken mag, so hat sie solche, aus
ihren Hüllen gezogen, und mit einem schö-
nen Verstande, der das Ganze aufs leise-
ste umfaßt, und jeden Theil wie eine Blu-
me entsprießen läßt, harmonisch sanft ge-
ordnet. Ein Engel gab ihr ihren Namen,
und die Muse der Humanität ward
ihre Schwester.

Meynen Sie noch, daß die Kunst der
Griechen, ihrem Geiste nach, nicht für
uns gehöre? Dem Worte selbst nach hät-

druͤckt, mit dem er ihn aufnimmt. In
allen Compoſitionen der Angelika iſt
dieſe ihr eingebohrne moraliſche Grazie
der Charakter ihrer Menſchen. Selbſt der
Wilde wird durch ihre Hand milde; ihre
Juͤnglinge ſchweben wie Genien auf der
Erde; nie war ihr Pinſel eine freche Ge-
behrde zu ſchildern vermoͤgend. Wie etwa
ein Schuldloſer Geiſt ſich menſchliche Cha-
raktere denken mag, ſo hat ſie ſolche, aus
ihren Huͤllen gezogen, und mit einem ſchoͤ-
nen Verſtande, der das Ganze aufs leiſe-
ſte umfaßt, und jeden Theil wie eine Blu-
me entſprießen laͤßt, harmoniſch ſanft ge-
ordnet. Ein Engel gab ihr ihren Namen,
und die Muſe der Humanitaͤt ward
ihre Schweſter.

Meynen Sie noch, daß die Kunſt der
Griechen, ihrem Geiſte nach, nicht fuͤr
uns gehoͤre? Dem Worte ſelbſt nach haͤt-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="92"/>
dru&#x0364;ckt, mit dem er ihn aufnimmt. In<lb/>
allen Compo&#x017F;itionen der <hi rendition="#g">Angelika</hi> i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e ihr eingebohrne morali&#x017F;che Grazie<lb/>
der Charakter ihrer Men&#x017F;chen. Selb&#x017F;t der<lb/>
Wilde wird durch ihre Hand milde; ihre<lb/>
Ju&#x0364;nglinge &#x017F;chweben wie Genien auf der<lb/>
Erde; nie war ihr Pin&#x017F;el eine freche Ge-<lb/>
behrde zu &#x017F;childern vermo&#x0364;gend. Wie etwa<lb/>
ein Schuldlo&#x017F;er Gei&#x017F;t &#x017F;ich men&#x017F;chliche Cha-<lb/>
raktere denken mag, &#x017F;o hat &#x017F;ie &#x017F;olche, aus<lb/>
ihren Hu&#x0364;llen gezogen, und mit einem &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Ver&#x017F;tande, der das Ganze aufs lei&#x017F;e-<lb/>
&#x017F;te umfaßt, und jeden Theil wie eine Blu-<lb/>
me ent&#x017F;prießen la&#x0364;ßt, harmoni&#x017F;ch &#x017F;anft ge-<lb/>
ordnet. Ein Engel gab ihr ihren Namen,<lb/>
und die <hi rendition="#g">Mu&#x017F;e der Humanita&#x0364;t</hi> ward<lb/>
ihre Schwe&#x017F;ter.</p><lb/>
        <p>Meynen Sie noch, daß die Kun&#x017F;t der<lb/>
Griechen, ihrem Gei&#x017F;te nach, nicht fu&#x0364;r<lb/>
uns geho&#x0364;re? Dem Worte &#x017F;elb&#x017F;t nach ha&#x0364;t-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0107] druͤckt, mit dem er ihn aufnimmt. In allen Compoſitionen der Angelika iſt dieſe ihr eingebohrne moraliſche Grazie der Charakter ihrer Menſchen. Selbſt der Wilde wird durch ihre Hand milde; ihre Juͤnglinge ſchweben wie Genien auf der Erde; nie war ihr Pinſel eine freche Ge- behrde zu ſchildern vermoͤgend. Wie etwa ein Schuldloſer Geiſt ſich menſchliche Cha- raktere denken mag, ſo hat ſie ſolche, aus ihren Huͤllen gezogen, und mit einem ſchoͤ- nen Verſtande, der das Ganze aufs leiſe- ſte umfaßt, und jeden Theil wie eine Blu- me entſprießen laͤßt, harmoniſch ſanft ge- ordnet. Ein Engel gab ihr ihren Namen, und die Muſe der Humanitaͤt ward ihre Schweſter. Meynen Sie noch, daß die Kunſt der Griechen, ihrem Geiſte nach, nicht fuͤr uns gehoͤre? Dem Worte ſelbſt nach haͤt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/107
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/107>, abgerufen am 18.12.2024.