Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte die fröhliche Munterkeit eines Jüng-
linges, die, wie ich glaube, ihn auch in
sein greisestes Alter begleitet. Seine offne,
zum Denken gebauete Stirn war ein Sitz
unzerstörbarer Heiterkeit und Freude; die
Gedankenreichste Rede floß von seinen
Lippen; Scherz und Witz und Laune stan-
den ihm zu Gebot, und sein lehrender
Vortrag war der unterhaltendste Umgang.
Mit eben dem Geist, mit dem er Leib-
nitz, Wolf, Baumgarten, Crusius,
Hume prüfte, und die Naturgesetze Kep-
lers, Newtons, der Physiker ver-
folgte, nahm er auch die damals erschei-
nenden Schriften Roußeau's, seinen
Emil und seine Heloise, so wie jede
ihm bekannt gewordene Natur-Entdeckung
auf, würdigte sie, und kam immer zurück
auf unbefangene Kenntniß der Natur
und auf moralischen Werth des

hatte die froͤhliche Munterkeit eines Juͤng-
linges, die, wie ich glaube, ihn auch in
ſein greiſeſtes Alter begleitet. Seine offne,
zum Denken gebauete Stirn war ein Sitz
unzerſtoͤrbarer Heiterkeit und Freude; die
Gedankenreichſte Rede floß von ſeinen
Lippen; Scherz und Witz und Laune ſtan-
den ihm zu Gebot, und ſein lehrender
Vortrag war der unterhaltendſte Umgang.
Mit eben dem Geiſt, mit dem er Leib-
nitz, Wolf, Baumgarten, Cruſius,
Hume pruͤfte, und die Naturgeſetze Kep-
lers, Newtons, der Phyſiker ver-
folgte, nahm er auch die damals erſchei-
nenden Schriften Roußeau's, ſeinen
Emil und ſeine Heloiſe, ſo wie jede
ihm bekannt gewordene Natur-Entdeckung
auf, wuͤrdigte ſie, und kam immer zuruͤck
auf unbefangene Kenntniß der Natur
und auf moraliſchen Werth des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="173"/>
hatte die fro&#x0364;hliche Munterkeit eines Ju&#x0364;ng-<lb/>
linges, die, wie ich glaube, ihn auch in<lb/>
&#x017F;ein grei&#x017F;e&#x017F;tes Alter begleitet. Seine offne,<lb/>
zum Denken gebauete Stirn war ein Sitz<lb/>
unzer&#x017F;to&#x0364;rbarer Heiterkeit und Freude; die<lb/>
Gedankenreich&#x017F;te Rede floß von &#x017F;einen<lb/>
Lippen; Scherz und Witz und Laune &#x017F;tan-<lb/>
den ihm zu Gebot, und &#x017F;ein lehrender<lb/>
Vortrag war der unterhaltend&#x017F;te Umgang.<lb/>
Mit eben dem Gei&#x017F;t, mit dem er <hi rendition="#g">Leib</hi>-<lb/><hi rendition="#g">nitz</hi>, <hi rendition="#g">Wolf</hi>, <hi rendition="#g">Baumgarten</hi>, <hi rendition="#g">Cru&#x017F;ius</hi>,<lb/><hi rendition="#g">Hume</hi> pru&#x0364;fte, und die Naturge&#x017F;etze <hi rendition="#g">Kep</hi>-<lb/><hi rendition="#g">lers</hi>, <hi rendition="#g">Newtons</hi>, der <hi rendition="#g">Phy&#x017F;iker</hi> ver-<lb/>
folgte, nahm er auch die damals er&#x017F;chei-<lb/>
nenden Schriften <hi rendition="#g">Roußeau's</hi>, &#x017F;einen<lb/><hi rendition="#g">Emil</hi> und &#x017F;eine <hi rendition="#g">Heloi&#x017F;e</hi>, &#x017F;o wie jede<lb/>
ihm bekannt gewordene Natur-Entdeckung<lb/>
auf, wu&#x0364;rdigte &#x017F;ie, und kam immer zuru&#x0364;ck<lb/>
auf unbefangene <hi rendition="#g">Kenntniß der Natur</hi><lb/>
und auf <hi rendition="#g">morali&#x017F;chen Werth des<lb/></hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0188] hatte die froͤhliche Munterkeit eines Juͤng- linges, die, wie ich glaube, ihn auch in ſein greiſeſtes Alter begleitet. Seine offne, zum Denken gebauete Stirn war ein Sitz unzerſtoͤrbarer Heiterkeit und Freude; die Gedankenreichſte Rede floß von ſeinen Lippen; Scherz und Witz und Laune ſtan- den ihm zu Gebot, und ſein lehrender Vortrag war der unterhaltendſte Umgang. Mit eben dem Geiſt, mit dem er Leib- nitz, Wolf, Baumgarten, Cruſius, Hume pruͤfte, und die Naturgeſetze Kep- lers, Newtons, der Phyſiker ver- folgte, nahm er auch die damals erſchei- nenden Schriften Roußeau's, ſeinen Emil und ſeine Heloiſe, ſo wie jede ihm bekannt gewordene Natur-Entdeckung auf, wuͤrdigte ſie, und kam immer zuruͤck auf unbefangene Kenntniß der Natur und auf moraliſchen Werth des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/188
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/188>, abgerufen am 27.11.2024.