Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.beschreibt, in andern, die nachher folgten, Der letzte Römer Boethius endlich *) Boethius und Auson's Gedichte sind zur Zeit des allgemeinen Verfalls der Römi- schen Sprache und Poesie merkwürdige Er- scheinungen. Beide Dichter waren Christen, und doch lassen sie es sich in ihren Gedich- ten wenig merken; der Erste gar nicht, der Zweite ist gleichsam wechselsweise Christ und Heide. Beide suchen, wie aus Trümmern vergangener Zeiten Schätze hervor; Jener Philosophie, die er in alle Sylbenmaaße sei- nes Seneka ordnet, Dieser das Andenken an alle ihm werthe Sachen und Menschen. Bei- de, insonderheit Boethius, sind den fol- genden dunkeln Jahrhunderten leitende Sterne Siebente Samml. B
beſchreibt, in andern, die nachher folgten, Der letzte Roͤmer Boëthius endlich *) Boëthius und Auſon's Gedichte ſind zur Zeit des allgemeinen Verfalls der Roͤmi- ſchen Sprache und Poeſie merkwuͤrdige Er- ſcheinungen. Beide Dichter waren Chriſten, und doch laſſen ſie es ſich in ihren Gedich- ten wenig merken; der Erſte gar nicht, der Zweite iſt gleichſam wechſelsweiſe Chriſt und Heide. Beide ſuchen, wie aus Truͤmmern vergangener Zeiten Schaͤtze hervor; Jener Philoſophie, die er in alle Sylbenmaaße ſei- nes Seneka ordnet, Dieſer das Andenken an alle ihm werthe Sachen und Menſchen. Bei- de, inſonderheit Boëthius, ſind den fol- genden dunkeln Jahrhunderten leitende Sterne Siebente Samml. B
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beſchreibt, in andern, die nachher folgten,
wollte man wahrlich oft weniger ſingen,
als ſeufzen.
Der letzte Roͤmer Boëthius endlich
ſuchte auch in lyriſchen Sylbenmaaßen Troſt
gegen ſein Ungluͤck; ſeine Philoſophie ge-
waͤhrte ihm aber nicht ſowohl Gedichte
als philoſophiſche Sentenzen *) Laͤngſt
*) Boëthius und Auſon's Gedichte ſind
zur Zeit des allgemeinen Verfalls der Roͤmi-
ſchen Sprache und Poeſie merkwuͤrdige Er-
ſcheinungen. Beide Dichter waren Chriſten,
und doch laſſen ſie es ſich in ihren Gedich-
ten wenig merken; der Erſte gar nicht, der
Zweite iſt gleichſam wechſelsweiſe Chriſt und
Heide. Beide ſuchen, wie aus Truͤmmern
vergangener Zeiten Schaͤtze hervor; Jener
Philoſophie, die er in alle Sylbenmaaße ſei-
nes Seneka ordnet, Dieſer das Andenken an
alle ihm werthe Sachen und Menſchen. Bei-
de, inſonderheit Boëthius, ſind den fol-
genden dunkeln Jahrhunderten leitende Sterne
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