Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
94.

Die Nachschrift Ihres Briefes hat mir
eine alte Wunde aufgerissen, die ziemlich
verharscht war, nämlich, wie wir, inson-
derheit mit unsrer Jugend, die Alten
lesen? "Das Salz der Gelehrsamkeit, sagt
Ihr Apokryphus ist ein gut Ding; wenn
aber das Salz tumm wird, womit soll
man salzen?" -- Bloße Gelehrsamkeit zer-
streuet und ermüdet; alles macht sie zu nack-
tem, vielleicht unnöthigem Wissen von Wor-
ten, Stellen und Gebräuchen; sie wirft
die Seele hin und her. Das Gemüth der
Jugend will gesammlet, will auf den

94.

Die Nachſchrift Ihres Briefes hat mir
eine alte Wunde aufgeriſſen, die ziemlich
verharſcht war, naͤmlich, wie wir, inſon-
derheit mit unſrer Jugend, die Alten
leſen? „Das Salz der Gelehrſamkeit, ſagt
Ihr Apokryphus iſt ein gut Ding; wenn
aber das Salz tumm wird, womit ſoll
man ſalzen?“ — Bloße Gelehrſamkeit zer-
ſtreuet und ermuͤdet; alles macht ſie zu nack-
tem, vielleicht unnoͤthigem Wiſſen von Wor-
ten, Stellen und Gebraͤuchen; ſie wirft
die Seele hin und her. Das Gemuͤth der
Jugend will geſammlet, will auf den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0053" n="34"/>
      <div n="1">
        <head>94.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Nach&#x017F;chrift Ihres Briefes hat mir<lb/>
eine alte Wunde aufgeri&#x017F;&#x017F;en, die ziemlich<lb/>
verhar&#x017F;cht war, na&#x0364;mlich, wie wir, in&#x017F;on-<lb/>
derheit <hi rendition="#g">mit un&#x017F;rer Jugend</hi>, die Alten<lb/>
le&#x017F;en? &#x201E;Das Salz der Gelehr&#x017F;amkeit, &#x017F;agt<lb/>
Ihr Apokryphus i&#x017F;t ein gut Ding; wenn<lb/>
aber das Salz tumm wird, womit &#x017F;oll<lb/>
man &#x017F;alzen?&#x201C; &#x2014; Bloße Gelehr&#x017F;amkeit zer-<lb/>
&#x017F;treuet und ermu&#x0364;det; alles macht &#x017F;ie zu nack-<lb/>
tem, vielleicht unno&#x0364;thigem Wi&#x017F;&#x017F;en von Wor-<lb/>
ten, Stellen und Gebra&#x0364;uchen; &#x017F;ie wirft<lb/>
die Seele hin und her. Das Gemu&#x0364;th der<lb/>
Jugend will <hi rendition="#g">ge&#x017F;ammlet</hi>, will auf den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0053] 94. Die Nachſchrift Ihres Briefes hat mir eine alte Wunde aufgeriſſen, die ziemlich verharſcht war, naͤmlich, wie wir, inſon- derheit mit unſrer Jugend, die Alten leſen? „Das Salz der Gelehrſamkeit, ſagt Ihr Apokryphus iſt ein gut Ding; wenn aber das Salz tumm wird, womit ſoll man ſalzen?“ — Bloße Gelehrſamkeit zer- ſtreuet und ermuͤdet; alles macht ſie zu nack- tem, vielleicht unnoͤthigem Wiſſen von Wor- ten, Stellen und Gebraͤuchen; ſie wirft die Seele hin und her. Das Gemuͤth der Jugend will geſammlet, will auf den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/53
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/53>, abgerufen am 22.12.2024.