Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Kern gerichtet, will fürs Leben gebildet
und gestärkt seyn.

Ich begreife selbst, was für eine schwere
Aufgabe es ist, so viele, so mannichfaltige
Schriftsteller der Griechen und Römer,
Dichter, Redner, Geschichtschreiber und
Philosophen mit unsrer Jugend nutzbar
zu lesen; der Grundsatz indessen, nach wel-
chem sie gelesen werden müssen, ist außer
Zweifel. Es ist der Sinn der Alten
selbst, das Gefühl vom Wahren, Gu-
ten und Schönen, diese alle zu Einem
System verbunden, in Eine Gestalt
geordnet. Man nenne diese Gestalt das
Anständige, das sich Geziemende,
honestum, decorum, [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] oder
wie man wolle; sie ist ein unterscheidender
Zug der Composition und Denkart
der Alten in ihren besten Schriftstellern
und würdigsten Männern, auf welchen

C 2

Kern gerichtet, will fuͤrs Leben gebildet
und geſtaͤrkt ſeyn.

Ich begreife ſelbſt, was fuͤr eine ſchwere
Aufgabe es iſt, ſo viele, ſo mannichfaltige
Schriftſteller der Griechen und Roͤmer,
Dichter, Redner, Geſchichtſchreiber und
Philoſophen mit unſrer Jugend nutzbar
zu leſen; der Grundſatz indeſſen, nach wel-
chem ſie geleſen werden muͤſſen, iſt außer
Zweifel. Es iſt der Sinn der Alten
ſelbſt, das Gefuͤhl vom Wahren, Gu-
ten und Schoͤnen, dieſe alle zu Einem
Syſtem verbunden, in Eine Geſtalt
geordnet. Man nenne dieſe Geſtalt das
Anſtaͤndige, das ſich Geziemende,
honeſtum, decorum, [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] oder
wie man wolle; ſie iſt ein unterſcheidender
Zug der Compoſition und Denkart
der Alten in ihren beſten Schriftſtellern
und wuͤrdigſten Maͤnnern, auf welchen

C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="35"/>
Kern gerichtet, will fu&#x0364;rs Leben gebildet<lb/>
und ge&#x017F;ta&#x0364;rkt &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Ich begreife &#x017F;elb&#x017F;t, was fu&#x0364;r eine &#x017F;chwere<lb/>
Aufgabe es i&#x017F;t, &#x017F;o viele, &#x017F;o mannichfaltige<lb/>
Schrift&#x017F;teller der Griechen und Ro&#x0364;mer,<lb/>
Dichter, Redner, Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber und<lb/>
Philo&#x017F;ophen mit <hi rendition="#g">un&#x017F;rer</hi> Jugend nutzbar<lb/>
zu le&#x017F;en; der Grund&#x017F;atz inde&#x017F;&#x017F;en, nach wel-<lb/>
chem &#x017F;ie gele&#x017F;en werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t außer<lb/>
Zweifel. Es i&#x017F;t der <hi rendition="#g">Sinn der Alten</hi><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, das Gefu&#x0364;hl vom <hi rendition="#g">Wahren</hi>, <hi rendition="#g">Gu</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ten und Scho&#x0364;nen</hi>, die&#x017F;e alle zu <hi rendition="#g">Einem<lb/>
Sy&#x017F;tem</hi> verbunden, in <hi rendition="#g">Eine Ge&#x017F;talt</hi><lb/>
geordnet. Man nenne die&#x017F;e Ge&#x017F;talt das<lb/><hi rendition="#g">An&#x017F;ta&#x0364;ndige</hi>, das <hi rendition="#g">&#x017F;ich Geziemende</hi>,<lb/><hi rendition="#aq">hone&#x017F;tum, decorum,</hi> <gap reason="fm" unit="chars"/>, <gap reason="fm" unit="chars"/> oder<lb/>
wie man wolle; &#x017F;ie i&#x017F;t ein unter&#x017F;cheidender<lb/>
Zug der <hi rendition="#g">Compo&#x017F;ition</hi> und <hi rendition="#g">Denkart</hi><lb/>
der Alten in ihren be&#x017F;ten Schrift&#x017F;tellern<lb/>
und wu&#x0364;rdig&#x017F;ten Ma&#x0364;nnern, auf welchen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0054] Kern gerichtet, will fuͤrs Leben gebildet und geſtaͤrkt ſeyn. Ich begreife ſelbſt, was fuͤr eine ſchwere Aufgabe es iſt, ſo viele, ſo mannichfaltige Schriftſteller der Griechen und Roͤmer, Dichter, Redner, Geſchichtſchreiber und Philoſophen mit unſrer Jugend nutzbar zu leſen; der Grundſatz indeſſen, nach wel- chem ſie geleſen werden muͤſſen, iſt außer Zweifel. Es iſt der Sinn der Alten ſelbſt, das Gefuͤhl vom Wahren, Gu- ten und Schoͤnen, dieſe alle zu Einem Syſtem verbunden, in Eine Geſtalt geordnet. Man nenne dieſe Geſtalt das Anſtaͤndige, das ſich Geziemende, honeſtum, decorum, _ , _ oder wie man wolle; ſie iſt ein unterſcheidender Zug der Compoſition und Denkart der Alten in ihren beſten Schriftſtellern und wuͤrdigſten Maͤnnern, auf welchen C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/54
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/54>, abgerufen am 22.12.2024.