Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Sätze und Sprüche, wo er reine
Vernunft
redet! Alles, was die Eng-
länder Humour nennen, ist Uebertrei-
bung; ein verzeihlicher Fehler der Natur,
der hie und da zur Schönheit werden kann,
nur aber zu einer National- und Zeit-
schönheit. Die Alten kannten das Rei-
zende eines kleinen Eigensinnes auch; sie
waren aber weit entfernt, die ganze Ge-
stalt eines Menschen als Unform diesem
Einen Zuge aufzuopfern. Nur dahin ist
Humour zu sparen, wohin er gehöret; und
die gemeine humoristische Poesie hat das
Unglück, daß sie sich mit der Stunde selbst
überlebet.

Was vom Lobe und Tadel gilt, gilt
auch von der sogenannten poetischen
Beschreibung
. Alle Poesie ist von der
Zeit abgedankt oder wird von ihr abge-
dankt werden, die durch Bilder und Gleich-

ſeine Saͤtze und Spruͤche, wo er reine
Vernunft
redet! Alles, was die Eng-
laͤnder Humour nennen, iſt Uebertrei-
bung; ein verzeihlicher Fehler der Natur,
der hie und da zur Schoͤnheit werden kann,
nur aber zu einer National- und Zeit-
ſchoͤnheit. Die Alten kannten das Rei-
zende eines kleinen Eigenſinnes auch; ſie
waren aber weit entfernt, die ganze Ge-
ſtalt eines Menſchen als Unform dieſem
Einen Zuge aufzuopfern. Nur dahin iſt
Humour zu ſparen, wohin er gehoͤret; und
die gemeine humoriſtiſche Poeſie hat das
Ungluͤck, daß ſie ſich mit der Stunde ſelbſt
uͤberlebet.

Was vom Lobe und Tadel gilt, gilt
auch von der ſogenannten poetiſchen
Beſchreibung
. Alle Poeſie iſt von der
Zeit abgedankt oder wird von ihr abge-
dankt werden, die durch Bilder und Gleich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0094" n="75"/>
&#x017F;eine Sa&#x0364;tze und Spru&#x0364;che, wo er <hi rendition="#g">reine<lb/>
Vernunft</hi> redet! Alles, was die Eng-<lb/>
la&#x0364;nder <hi rendition="#g">Humour</hi> nennen, i&#x017F;t Uebertrei-<lb/>
bung; ein verzeihlicher Fehler der Natur,<lb/>
der hie und da zur Scho&#x0364;nheit werden kann,<lb/>
nur aber zu einer National- und Zeit-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nheit. Die Alten kannten das Rei-<lb/>
zende eines kleinen Eigen&#x017F;innes auch; &#x017F;ie<lb/>
waren aber weit entfernt, die ganze Ge-<lb/>
&#x017F;talt eines Men&#x017F;chen als Unform die&#x017F;em<lb/>
Einen Zuge aufzuopfern. Nur dahin i&#x017F;t<lb/>
Humour zu &#x017F;paren, wohin er geho&#x0364;ret; und<lb/>
die gemeine humori&#x017F;ti&#x017F;che Poe&#x017F;ie hat das<lb/>
Unglu&#x0364;ck, daß &#x017F;ie &#x017F;ich mit der Stunde &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
u&#x0364;berlebet.</p><lb/>
        <p>Was vom Lobe und Tadel gilt, gilt<lb/>
auch von der &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">poeti&#x017F;chen<lb/>
Be&#x017F;chreibung</hi>. Alle Poe&#x017F;ie i&#x017F;t von der<lb/>
Zeit abgedankt oder wird von ihr abge-<lb/>
dankt werden, die durch Bilder und Gleich-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0094] ſeine Saͤtze und Spruͤche, wo er reine Vernunft redet! Alles, was die Eng- laͤnder Humour nennen, iſt Uebertrei- bung; ein verzeihlicher Fehler der Natur, der hie und da zur Schoͤnheit werden kann, nur aber zu einer National- und Zeit- ſchoͤnheit. Die Alten kannten das Rei- zende eines kleinen Eigenſinnes auch; ſie waren aber weit entfernt, die ganze Ge- ſtalt eines Menſchen als Unform dieſem Einen Zuge aufzuopfern. Nur dahin iſt Humour zu ſparen, wohin er gehoͤret; und die gemeine humoriſtiſche Poeſie hat das Ungluͤck, daß ſie ſich mit der Stunde ſelbſt uͤberlebet. Was vom Lobe und Tadel gilt, gilt auch von der ſogenannten poetiſchen Beſchreibung. Alle Poeſie iſt von der Zeit abgedankt oder wird von ihr abge- dankt werden, die durch Bilder und Gleich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/94
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/94>, abgerufen am 22.12.2024.