Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

es, der siebenzig Jahre lang Rom nach
Avignon verlegte und durch diesen Zug
im Schachspiel die Päbste zu seinen folg-
samen Dienern machte. Nach Frankreich
wanderten Jahrhunderte lang Edle und
Fürsten, um dort die Rittersitte, das Hof-
cerimoniel, die leichteste und beste Lebens-
art zu lernen, bis endlich von Paris und
Versailles aus der Französische Ton, die
Französische Sprache als Mode sich über
die Welt ausgoß. Sein Kleinstes hat
Frankreich bemerkbar zu machen gesucht;
in allen Staatsveränderungen und Unter-
handlungen hatte lange es die Hand und
trat gern hervor zu sagen: "sehet, daß ich
dabin! und wie ichs treibe. Hieße dieß
nicht repräsentiren? Der Ton der guten
Erziehung, des Unterschiedes der Stände,
der anständigen Lebensart, des höflichen
Ausdrucks, der ganze Charakter der Fran-

zösischen

es, der ſiebenzig Jahre lang Rom nach
Avignon verlegte und durch dieſen Zug
im Schachſpiel die Paͤbſte zu ſeinen folg-
ſamen Dienern machte. Nach Frankreich
wanderten Jahrhunderte lang Edle und
Fuͤrſten, um dort die Ritterſitte, das Hof-
cerimoniel, die leichteſte und beſte Lebens-
art zu lernen, bis endlich von Paris und
Verſailles aus der Franzoͤſiſche Ton, die
Franzoͤſiſche Sprache als Mode ſich uͤber
die Welt ausgoß. Sein Kleinſtes hat
Frankreich bemerkbar zu machen geſucht;
in allen Staatsveraͤnderungen und Unter-
handlungen hatte lange es die Hand und
trat gern hervor zu ſagen: „ſehet, daß ich
dabin! und wie ichs treibe. Hieße dieß
nicht repraͤſentiren? Der Ton der guten
Erziehung, des Unterſchiedes der Staͤnde,
der anſtaͤndigen Lebensart, des hoͤflichen
Ausdrucks, der ganze Charakter der Fran-

zoͤſiſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="16"/>
es, der &#x017F;iebenzig Jahre lang Rom nach<lb/>
Avignon verlegte und durch die&#x017F;en Zug<lb/>
im Schach&#x017F;piel die Pa&#x0364;b&#x017F;te zu &#x017F;einen folg-<lb/>
&#x017F;amen Dienern machte. Nach Frankreich<lb/>
wanderten Jahrhunderte lang Edle und<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten, um dort die Ritter&#x017F;itte, das Hof-<lb/>
cerimoniel, die leichte&#x017F;te und be&#x017F;te Lebens-<lb/>
art zu lernen, bis endlich von Paris und<lb/>
Ver&#x017F;ailles aus der Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Ton, die<lb/>
Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Sprache <hi rendition="#g">als Mode</hi> &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
die Welt ausgoß. Sein Klein&#x017F;tes hat<lb/>
Frankreich bemerkbar zu machen ge&#x017F;ucht;<lb/>
in allen Staatsvera&#x0364;nderungen und Unter-<lb/>
handlungen hatte lange es die Hand und<lb/>
trat gern hervor zu &#x017F;agen: &#x201E;&#x017F;ehet, daß ich<lb/>
dabin! und wie <hi rendition="#g">ichs</hi> treibe. Hieße dieß<lb/>
nicht repra&#x0364;&#x017F;entiren? Der Ton der guten<lb/>
Erziehung, des Unter&#x017F;chiedes der Sta&#x0364;nde,<lb/>
der an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Lebensart, des ho&#x0364;flichen<lb/>
Ausdrucks, der ganze Charakter der Fran-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0023] es, der ſiebenzig Jahre lang Rom nach Avignon verlegte und durch dieſen Zug im Schachſpiel die Paͤbſte zu ſeinen folg- ſamen Dienern machte. Nach Frankreich wanderten Jahrhunderte lang Edle und Fuͤrſten, um dort die Ritterſitte, das Hof- cerimoniel, die leichteſte und beſte Lebens- art zu lernen, bis endlich von Paris und Verſailles aus der Franzoͤſiſche Ton, die Franzoͤſiſche Sprache als Mode ſich uͤber die Welt ausgoß. Sein Kleinſtes hat Frankreich bemerkbar zu machen geſucht; in allen Staatsveraͤnderungen und Unter- handlungen hatte lange es die Hand und trat gern hervor zu ſagen: „ſehet, daß ich dabin! und wie ichs treibe. Hieße dieß nicht repraͤſentiren? Der Ton der guten Erziehung, des Unterſchiedes der Staͤnde, der anſtaͤndigen Lebensart, des hoͤflichen Ausdrucks, der ganze Charakter der Fran- zoͤſiſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/23
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/23>, abgerufen am 03.12.2024.