Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

fermenta cognitionis nannte; überdem war
der Name Funken (scintillae) in den
mittleren Zeiten sehr gewöhnlich. Mir
sind sie gewesen, was sie dem Sinn des
Sammlers nach seyn sollten, ein Charak-
terbild vom Leben des vielverdienten
Mannes, und ich stelle mir einen Jüng-
ling des neunzehnten Jahrhunderts vor,
der mit Classischen Känntnissen in der
Schule ausgerüstet, ehe er die Akademie be-
schreitet, diese Funken, nachher auch mit
Ordnung und Wahl die mannichfaltigen
Schriften dieses vielverdienten, gewandten
Schriftstellers selbst lieset; was wird er
sagen? -- "Wie? wird er sagen, lebte die-
ser Mann in einer Wüste? Bei seinem
mühsamen, für sein Vaterland rühmlichen,
gleichsam allbestrebenden Gange war denn
niemand, der ihm half? der seinen Ideen,
deren Nützlichkeit jedermann lobpries, ei-

fermenta cognitionis nannte; uͤberdem war
der Name Funken (ſcintillae) in den
mittleren Zeiten ſehr gewoͤhnlich. Mir
ſind ſie geweſen, was ſie dem Sinn des
Sammlers nach ſeyn ſollten, ein Charak-
terbild vom Leben des vielverdienten
Mannes, und ich ſtelle mir einen Juͤng-
ling des neunzehnten Jahrhunderts vor,
der mit Claſſiſchen Kaͤnntniſſen in der
Schule ausgeruͤſtet, ehe er die Akademie be-
ſchreitet, dieſe Funken, nachher auch mit
Ordnung und Wahl die mannichfaltigen
Schriften dieſes vielverdienten, gewandten
Schriftſtellers ſelbſt lieſet; was wird er
ſagen? — „Wie? wird er ſagen, lebte die-
ſer Mann in einer Wuͤſte? Bei ſeinem
muͤhſamen, fuͤr ſein Vaterland ruͤhmlichen,
gleichſam allbeſtrebenden Gange war denn
niemand, der ihm half? der ſeinen Ideen,
deren Nuͤtzlichkeit jedermann lobpries, ei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="62"/><hi rendition="#aq">fermenta cognitionis</hi> nannte; u&#x0364;berdem war<lb/>
der Name <hi rendition="#g">Funken</hi> <hi rendition="#aq">(<choice><sic>&#x017F;cintillac</sic><corr>&#x017F;cintillae</corr></choice>)</hi> in den<lb/>
mittleren Zeiten &#x017F;ehr gewo&#x0364;hnlich. Mir<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie gewe&#x017F;en, was &#x017F;ie dem Sinn des<lb/>
Sammlers nach &#x017F;eyn &#x017F;ollten, ein <hi rendition="#g">Charak</hi>-<lb/><hi rendition="#g">terbild</hi> vom Leben des vielverdienten<lb/>
Mannes, und ich &#x017F;telle mir einen Ju&#x0364;ng-<lb/>
ling des neunzehnten Jahrhunderts vor,<lb/>
der mit Cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Ka&#x0364;nntni&#x017F;&#x017F;en in der<lb/>
Schule ausgeru&#x0364;&#x017F;tet, ehe er die Akademie be-<lb/>
&#x017F;chreitet, die&#x017F;e <hi rendition="#g">Funken</hi>, nachher auch mit<lb/>
Ordnung und Wahl die mannichfaltigen<lb/>
Schriften die&#x017F;es vielverdienten, gewandten<lb/>
Schrift&#x017F;tellers &#x017F;elb&#x017F;t lie&#x017F;et; was wird er<lb/>
&#x017F;agen? &#x2014; &#x201E;Wie? wird er &#x017F;agen, lebte die-<lb/>
&#x017F;er Mann in einer Wu&#x0364;&#x017F;te? Bei &#x017F;einem<lb/>
mu&#x0364;h&#x017F;amen, fu&#x0364;r &#x017F;ein Vaterland ru&#x0364;hmlichen,<lb/>
gleich&#x017F;am allbe&#x017F;trebenden Gange war denn<lb/>
niemand, der ihm half? der &#x017F;einen Ideen,<lb/>
deren Nu&#x0364;tzlichkeit jedermann lobpries, ei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0069] fermenta cognitionis nannte; uͤberdem war der Name Funken (ſcintillae) in den mittleren Zeiten ſehr gewoͤhnlich. Mir ſind ſie geweſen, was ſie dem Sinn des Sammlers nach ſeyn ſollten, ein Charak- terbild vom Leben des vielverdienten Mannes, und ich ſtelle mir einen Juͤng- ling des neunzehnten Jahrhunderts vor, der mit Claſſiſchen Kaͤnntniſſen in der Schule ausgeruͤſtet, ehe er die Akademie be- ſchreitet, dieſe Funken, nachher auch mit Ordnung und Wahl die mannichfaltigen Schriften dieſes vielverdienten, gewandten Schriftſtellers ſelbſt lieſet; was wird er ſagen? — „Wie? wird er ſagen, lebte die- ſer Mann in einer Wuͤſte? Bei ſeinem muͤhſamen, fuͤr ſein Vaterland ruͤhmlichen, gleichſam allbeſtrebenden Gange war denn niemand, der ihm half? der ſeinen Ideen, deren Nuͤtzlichkeit jedermann lobpries, ei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/69
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/69>, abgerufen am 18.05.2024.