Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

aller Arbeit des Genies würden unfähig ge-
macht haben. Mein Laokoon ist nun wie-
der die Nebenarbeit. Mich dünkt, ich komme
mit der Fortsetzung desselben für den großen
Haufen unsrer Leser auch noch immer früh
genug. Die wenigen, die mich jetzt lesen, ver-
stehen von der Sache eben so viel wie ich,
und mehr." *)

29.

"Und hat es nicht das Publikum in sei-
ner Gewalt, was es an Geschmack und Ein-
sicht beim Theater mangelhaft finden sollte,
abstellen und verbessern zu lassen? Es kom-
me nur, und sehe und höre, und prüfe und
richte. Seine Stimme soll nie geringschätzig
verhöret, sein Urtheil soll nie ohne Unterwer-
fung vernommen werden.

Nur daß sich nicht jeder kleine Kritikaster
für das Publikum halte, und derjenige, dessen

*) Th. 29. S. 141.

aller Arbeit des Genies wuͤrden unfaͤhig ge-
macht haben. Mein Laokoon iſt nun wie-
der die Nebenarbeit. Mich duͤnkt, ich komme
mit der Fortſetzung deſſelben fuͤr den großen
Haufen unſrer Leſer auch noch immer fruͤh
genug. Die wenigen, die mich jetzt leſen, ver-
ſtehen von der Sache eben ſo viel wie ich,
und mehr.“ *)

29.

„Und hat es nicht das Publikum in ſei-
ner Gewalt, was es an Geſchmack und Ein-
ſicht beim Theater mangelhaft finden ſollte,
abſtellen und verbeſſern zu laſſen? Es kom-
me nur, und ſehe und hoͤre, und pruͤfe und
richte. Seine Stimme ſoll nie geringſchaͤtzig
verhoͤret, ſein Urtheil ſoll nie ohne Unterwer-
fung vernommen werden.

Nur daß ſich nicht jeder kleine Kritikaſter
fuͤr das Publikum halte, und derjenige, deſſen

*) Th. 29. S. 141.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="92"/>
aller Arbeit des Genies wu&#x0364;rden unfa&#x0364;hig ge-<lb/>
macht haben. Mein <hi rendition="#g">Laokoon</hi> i&#x017F;t nun wie-<lb/>
der die Nebenarbeit. Mich du&#x0364;nkt, ich komme<lb/>
mit der Fort&#x017F;etzung de&#x017F;&#x017F;elben fu&#x0364;r den großen<lb/>
Haufen un&#x017F;rer Le&#x017F;er auch noch immer fru&#x0364;h<lb/>
genug. Die wenigen, die mich jetzt le&#x017F;en, ver-<lb/>
&#x017F;tehen von der Sache eben &#x017F;o viel wie ich,<lb/>
und mehr.&#x201C; <note place="foot" n="*)">Th. 29. S. 141.</note></p><lb/>
        <p>29.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und hat es nicht das Publikum in &#x017F;ei-<lb/>
ner Gewalt, was es an Ge&#x017F;chmack und Ein-<lb/>
&#x017F;icht beim Theater mangelhaft finden &#x017F;ollte,<lb/>
ab&#x017F;tellen und verbe&#x017F;&#x017F;ern zu la&#x017F;&#x017F;en? Es kom-<lb/>
me nur, und &#x017F;ehe und ho&#x0364;re, und pru&#x0364;fe und<lb/>
richte. Seine Stimme &#x017F;oll nie gering&#x017F;cha&#x0364;tzig<lb/>
verho&#x0364;ret, &#x017F;ein Urtheil &#x017F;oll nie ohne Unterwer-<lb/>
fung vernommen werden.</p><lb/>
        <p>Nur daß &#x017F;ich nicht jeder kleine Kritika&#x017F;ter<lb/>
fu&#x0364;r das Publikum halte, und derjenige, de&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0099] aller Arbeit des Genies wuͤrden unfaͤhig ge- macht haben. Mein Laokoon iſt nun wie- der die Nebenarbeit. Mich duͤnkt, ich komme mit der Fortſetzung deſſelben fuͤr den großen Haufen unſrer Leſer auch noch immer fruͤh genug. Die wenigen, die mich jetzt leſen, ver- ſtehen von der Sache eben ſo viel wie ich, und mehr.“ *) 29. „Und hat es nicht das Publikum in ſei- ner Gewalt, was es an Geſchmack und Ein- ſicht beim Theater mangelhaft finden ſollte, abſtellen und verbeſſern zu laſſen? Es kom- me nur, und ſehe und hoͤre, und pruͤfe und richte. Seine Stimme ſoll nie geringſchaͤtzig verhoͤret, ſein Urtheil ſoll nie ohne Unterwer- fung vernommen werden. Nur daß ſich nicht jeder kleine Kritikaſter fuͤr das Publikum halte, und derjenige, deſſen *) Th. 29. S. 141.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/99
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/99>, abgerufen am 27.11.2024.