[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. gestaltige Bacchus auch bei den Künstlern, auch inseinen Tempel "in mancherlei Gestalt" gewe- sen sey: daß nach der ältern allegorisirenden Mytho- logie dem Bacchus die Hörner sehr bedeutend und oft also auch für den Werkmeister, der der Religion arbeitete, ein Attribut des Bacchus seyn müssen: daß in den bessern Zeiten, da die Griechen selbst vie- les von ihrer heiligen Allegorie der Schönheit auf- geopfert, auch die ganz schönen Statuen des Bac- chus, insonderheit in seinen Kunstwerken, die besten geworden; und so zerstieben alle Widersprüche von selbst. Ueberhaupt sollte das mehr auf Kunst und auf
Kritiſche Waͤlder. geſtaltige Bacchus auch bei den Kuͤnſtlern, auch inſeinen Tempel „in mancherlei Geſtalt„ gewe- ſen ſey: daß nach der aͤltern allegoriſirenden Mytho- logie dem Bacchus die Hoͤrner ſehr bedeutend und oft alſo auch fuͤr den Werkmeiſter, der der Religion arbeitete, ein Attribut des Bacchus ſeyn muͤſſen: daß in den beſſern Zeiten, da die Griechen ſelbſt vie- les von ihrer heiligen Allegorie der Schoͤnheit auf- geopfert, auch die ganz ſchoͤnen Statuen des Bac- chus, inſonderheit in ſeinen Kunſtwerken, die beſten geworden; und ſo zerſtieben alle Widerſpruͤche von ſelbſt. Ueberhaupt ſollte das mehr auf Kunſt und auf
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Kritiſche Waͤlder.
geſtaltige Bacchus auch bei den Kuͤnſtlern, auch in
ſeinen Tempel „in mancherlei Geſtalt„ gewe-
ſen ſey: daß nach der aͤltern allegoriſirenden Mytho-
logie dem Bacchus die Hoͤrner ſehr bedeutend und
oft alſo auch fuͤr den Werkmeiſter, der der Religion
arbeitete, ein Attribut des Bacchus ſeyn muͤſſen:
daß in den beſſern Zeiten, da die Griechen ſelbſt vie-
les von ihrer heiligen Allegorie der Schoͤnheit auf-
geopfert, auch die ganz ſchoͤnen Statuen des Bac-
chus, inſonderheit in ſeinen Kunſtwerken, die beſten
geworden; und ſo zerſtieben alle Widerſpruͤche
von ſelbſt.
Ueberhaupt ſollte das mehr auf Kunſt und
Dichtkunſt angewandt werden, was die zu verſchie-
denen Zeiten verſchiedene Religion auf beide ge-
wirket. Jn den aͤlteſten Zeiten, da noch die frem-
den, von außen uͤberbrachten Begriffe galten, wa-
ren freilich die Vorſtellungen der Goͤtter oft unwuͤr-
dig: und Jupiter ſelbſt ſchaͤmte ſich nicht, mit bei-
derlei Geſchlecht mit einem Beile, und in Geſtalt ei-
nes Miſtkaͤfers zu erſcheinen. Bald aber entwoͤlk-
te ſich dieß allegoriſche Gehirn der Aegypter und
Aſiaten in der freien griechiſchen Luſt: die unnuͤtzen
Geheimniſſe und Deutungen in Mythologie, Phi-
loſophie, Poeſie und Kunſt wurden unter den Grie-
chen aus ihren verſchloſſenen Kammern auf offnen
Markt getragen, und Schoͤnheit fieng an, das
Hauptgeſetz der Poeſie und Kunſt, nur bei jeder
auf
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