[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. ter hierüber bis in den Mond reiset, und da sor-tem fortunae sucht; auch ist mir die Geßnersche Er- klärung: daß die Stürme des Meers aus unbekann- ten Ursachen kommen, nicht vorausgesehen werden können, also dem Glücke zuzuschreiben sind, u. s. w. zu allgemein; und endlich die Klotzische Erläute- rung a), daß das Glück auf Münzen mit Kornäh- ren, mit Schiffankern, und wer weiß womit mehr? gebildet werde, ist für mich und für Horaz noch ge- lehrter. Vermuthlich hat Horaz, der Einfältige! an Nichts gedacht, als daß Antium, die Woh- nung der Fortuna, Landrinwohner habe, und nahe an der See liege: der Tempel des Glücks also von beiderlei Art Leuten Besuch erhalte. "Dich fürchtet der rauhe Dacier, und die flüch-
So a) Vindic. Horat. p. 152.
Kritiſche Waͤlder. ter hieruͤber bis in den Mond reiſet, und da ſor-tem fortunae ſucht; auch iſt mir die Geßnerſche Er- klaͤrung: daß die Stuͤrme des Meers aus unbekann- ten Urſachen kommen, nicht vorausgeſehen werden koͤnnen, alſo dem Gluͤcke zuzuſchreiben ſind, u. ſ. w. zu allgemein; und endlich die Klotziſche Erlaͤute- rung a), daß das Gluͤck auf Muͤnzen mit Kornaͤh- ren, mit Schiffankern, und wer weiß womit mehr? gebildet werde, iſt fuͤr mich und fuͤr Horaz noch ge- lehrter. Vermuthlich hat Horaz, der Einfaͤltige! an Nichts gedacht, als daß Antium, die Woh- nung der Fortuna, Landꝛinwohner habe, und nahe an der See liege: der Tempel des Gluͤcks alſo von beiderlei Art Leuten Beſuch erhalte. „Dich fuͤrchtet der rauhe Dacier, und die fluͤch-
So a) Vindic. Horat. p. 152.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/> ter hieruͤber bis in den Mond reiſet, und da <hi rendition="#aq">ſor-<lb/> tem fortunae</hi> ſucht; auch iſt mir die Geßnerſche Er-<lb/> klaͤrung: daß die Stuͤrme des Meers aus unbekann-<lb/> ten Urſachen kommen, nicht vorausgeſehen werden<lb/> koͤnnen, alſo dem Gluͤcke zuzuſchreiben ſind, u. ſ. w.<lb/> zu allgemein; und endlich die Klotziſche Erlaͤute-<lb/> rung <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Vindic. Horat. p.</hi> 152.</note>, daß das Gluͤck auf Muͤnzen mit Kornaͤh-<lb/> ren, mit Schiffankern, und wer weiß womit mehr?<lb/> gebildet werde, iſt fuͤr mich und fuͤr Horaz noch ge-<lb/> lehrter. Vermuthlich hat <hi rendition="#fr">Horaz,</hi> der Einfaͤltige!<lb/> an Nichts gedacht, als daß <hi rendition="#fr">Antium,</hi> die Woh-<lb/> nung der Fortuna, Landꝛinwohner habe, und nahe<lb/> an der See liege: der Tempel des Gluͤcks alſo von<lb/> beiderlei Art Leuten Beſuch erhalte.</p><lb/> <p>„Dich fuͤrchtet der rauhe Dacier, und die fluͤch-<lb/> „tigen Scythen: Staͤdte und Voͤlker: und das<lb/> „wilde Latium: die Muͤtter der barbariſchen Koͤ-<lb/> „nige, und die bepurpurten Tyrannen.„ Allein<lb/> genommen waͤre nichts leichter zu erklaͤren, als<lb/> dieſe Strophe: ſie ſchilderte naͤmlich die Goͤttinn des<lb/> Gluͤcks roͤmiſch geſinnet: vor ihr muͤſſen die Feinde,<lb/> die Rebellen, die Tyrannen Roms zittern; aber nun<lb/> der Zuſatz:</p><lb/> <cit> <quote> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">iniurioſo ne pede proruas</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">ſtantem columnam; neu populus frequens</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">ad arma ceſſantes ad arma</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">concitet imperiumque frangat.</hi> </l> </lg> </quote> <bibl/> </cit><lb/> <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0146]
Kritiſche Waͤlder.
ter hieruͤber bis in den Mond reiſet, und da ſor-
tem fortunae ſucht; auch iſt mir die Geßnerſche Er-
klaͤrung: daß die Stuͤrme des Meers aus unbekann-
ten Urſachen kommen, nicht vorausgeſehen werden
koͤnnen, alſo dem Gluͤcke zuzuſchreiben ſind, u. ſ. w.
zu allgemein; und endlich die Klotziſche Erlaͤute-
rung a), daß das Gluͤck auf Muͤnzen mit Kornaͤh-
ren, mit Schiffankern, und wer weiß womit mehr?
gebildet werde, iſt fuͤr mich und fuͤr Horaz noch ge-
lehrter. Vermuthlich hat Horaz, der Einfaͤltige!
an Nichts gedacht, als daß Antium, die Woh-
nung der Fortuna, Landꝛinwohner habe, und nahe
an der See liege: der Tempel des Gluͤcks alſo von
beiderlei Art Leuten Beſuch erhalte.
„Dich fuͤrchtet der rauhe Dacier, und die fluͤch-
„tigen Scythen: Staͤdte und Voͤlker: und das
„wilde Latium: die Muͤtter der barbariſchen Koͤ-
„nige, und die bepurpurten Tyrannen.„ Allein
genommen waͤre nichts leichter zu erklaͤren, als
dieſe Strophe: ſie ſchilderte naͤmlich die Goͤttinn des
Gluͤcks roͤmiſch geſinnet: vor ihr muͤſſen die Feinde,
die Rebellen, die Tyrannen Roms zittern; aber nun
der Zuſatz:
iniurioſo ne pede proruas
ſtantem columnam; neu populus frequens
ad arma ceſſantes ad arma
concitet imperiumque frangat.
So
a) Vindic. Horat. p. 152.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/146 |
Zitationshilfe: | [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/146>, abgerufen am 16.02.2025. |