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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

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Erstes Wäldchen.
gleich den Spott über ihn gelesen a): quod haec
imago non placuit bono Sanadonio, sui ingenii
homo est, delicatus mehercle! et venustulus.
Jch
weiß nicht, ob dieser sui ingenii homo, delicatus
mehercle et venustulus
mit der mächtigen Wider-
legung zufrieden seyn könnte: neque enim intel-
lexisse videtur, quam divina sint: ahena manus,
severus vncus.
Jch, der-nicht sein gnug ist, das
göttliche in einem ahena manus, in einem severus
vncus
zu erblicken, fühle mit Sanadon gleich, und
glaube, daß jeder, der die Ode in einem Strome
fortlieset, bei diesem Bilde es fühlen werde, daß er
vestgehalten wird, daß er vor einer bemahlten Lein-
wand stehen bleibe: und das will niemand in der
Ode.

Mögen also alle diese Werkzeuge attirail patibu-
laire,
oder Befestigungswerke, oder Symbole der
höchsten Macht Fortunens seyn: die eherne Hand
und der severus vncus mögen Hrn. Klotz so göttlich
scheinen, als sie wollen: die Stelle bleibt eine der
frostigsten im Horaz.

Ob aber deßwegen, weil "diese Attribute für
"das Auge und nicht für das Gehör gemacht sind,
"und alle Begriffe, die wir durch das Auge erhal-
"ten sollten, wenn man sie uns durch das Gehör
"beibringen will, eine größere Anstrengung erfo-
"dern, und einer geringern Klarheit fähig sind b)."

Hr.
a) Klotz. Vindic. Horat. p. 154.
b) Laok. p. 118.

Erſtes Waͤldchen.
gleich den Spott uͤber ihn geleſen a): quod haec
imago non placuit bono Sanadonio, ſui ingenii
homo eſt, delicatus mehercle! et venuſtulus.
Jch
weiß nicht, ob dieſer ſui ingenii homo, delicatus
mehercle et venuſtulus
mit der maͤchtigen Wider-
legung zufrieden ſeyn koͤnnte: neque enim intel-
lexiſſe videtur, quam divina ſint: ahena manus,
ſeverus vncus.
Jch, der-nicht ſein gnug iſt, das
goͤttliche in einem ahena manus, in einem ſeverus
vncus
zu erblicken, fuͤhle mit Sanadon gleich, und
glaube, daß jeder, der die Ode in einem Strome
fortlieſet, bei dieſem Bilde es fuͤhlen werde, daß er
veſtgehalten wird, daß er vor einer bemahlten Lein-
wand ſtehen bleibe: und das will niemand in der
Ode.

Moͤgen alſo alle dieſe Werkzeuge attirail patibu-
laire,
oder Befeſtigungswerke, oder Symbole der
hoͤchſten Macht Fortunens ſeyn: die eherne Hand
und der ſeverus vncus moͤgen Hrn. Klotz ſo goͤttlich
ſcheinen, als ſie wollen: die Stelle bleibt eine der
froſtigſten im Horaz.

Ob aber deßwegen, weil „dieſe Attribute fuͤr
„das Auge und nicht fuͤr das Gehoͤr gemacht ſind,
„und alle Begriffe, die wir durch das Auge erhal-
„ten ſollten, wenn man ſie uns durch das Gehoͤr
„beibringen will, eine groͤßere Anſtrengung erfo-
„dern, und einer geringern Klarheit faͤhig ſind b).„

Hr.
a) Klotz. Vindic. Horat. p. 154.
b) Laok. p. 118.
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[143/0149] Erſtes Waͤldchen. gleich den Spott uͤber ihn geleſen a): quod haec imago non placuit bono Sanadonio, ſui ingenii homo eſt, delicatus mehercle! et venuſtulus. Jch weiß nicht, ob dieſer ſui ingenii homo, delicatus mehercle et venuſtulus mit der maͤchtigen Wider- legung zufrieden ſeyn koͤnnte: neque enim intel- lexiſſe videtur, quam divina ſint: ahena manus, ſeverus vncus. Jch, der-nicht ſein gnug iſt, das goͤttliche in einem ahena manus, in einem ſeverus vncus zu erblicken, fuͤhle mit Sanadon gleich, und glaube, daß jeder, der die Ode in einem Strome fortlieſet, bei dieſem Bilde es fuͤhlen werde, daß er veſtgehalten wird, daß er vor einer bemahlten Lein- wand ſtehen bleibe: und das will niemand in der Ode. Moͤgen alſo alle dieſe Werkzeuge attirail patibu- laire, oder Befeſtigungswerke, oder Symbole der hoͤchſten Macht Fortunens ſeyn: die eherne Hand und der ſeverus vncus moͤgen Hrn. Klotz ſo goͤttlich ſcheinen, als ſie wollen: die Stelle bleibt eine der froſtigſten im Horaz. Ob aber deßwegen, weil „dieſe Attribute fuͤr „das Auge und nicht fuͤr das Gehoͤr gemacht ſind, „und alle Begriffe, die wir durch das Auge erhal- „ten ſollten, wenn man ſie uns durch das Gehoͤr „beibringen will, eine groͤßere Anſtrengung erfo- „dern, und einer geringern Klarheit faͤhig ſind b).„ Hr. a) Klotz. Vindic. Horat. p. 154. b) Laok. p. 118.

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/149>, abgerufen am 21.11.2024.