Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Wäldchen.
"Die Sache wird aus dem zweiten Buche erhel-
"len -- --" Ob ich gleich meinen ernsthaften
Autor sehr ehrerbietig, wie ein Dekret der Sor-
bonne übersetze, und seinen Styl, der im vollen
Monde gebildet worden,

-- -- for scull
That's empty, when te Moon is full.

mit allen seinen Gelenken und Gliedern gern ganz
liefre; so kann ich doch ein Paar Seiten a) über-
springen, in denen er Homers Auftritt des Thersites
vorbringt. Was Homer gesagt, ist mir was Al-
tes, aber was darüber gesagt wird, etwas Neues.
"Nun will ich nicht läugnen, daß Homer alles
"gesammlet, was den Anblick des Menschen häß-
"lich und lächerlich machen kann; und auch das
"sehe ich leicht ein, warum Claudius Belurgerius
"(v. Nic. Erythraei Pinacoth. p. 205. & Vincent.
"Paravicini sing. Erud. Cent. III. n. 12. p.
150.)
"sich an diesem Bilde des Thersites, von der Hand
"eines geschickten Künstlers gemalt, so sehr ergötzet.
"Jmmer aber wollen wir den Spruch Quintiliani
"betrachten: Nihil potest placere, quod non decet,
"zu Deutsch: Nichts kann gefallen, was nicht an-
"ständig ist. Wenn dieser Mensch etwa in einer
"Satyre, oder in einem andern Possengedichte auf-
"träte: so würde er mich nicht wenig ergötzen,

und
a) p. 25. 26.

Erſtes Waͤldchen.
„Die Sache wird aus dem zweiten Buche erhel-
„len — —„ Ob ich gleich meinen ernſthaften
Autor ſehr ehrerbietig, wie ein Dekret der Sor-
bonne uͤberſetze, und ſeinen Styl, der im vollen
Monde gebildet worden,

— — for ſcull
That’s empty, when te Moon is full.

mit allen ſeinen Gelenken und Gliedern gern ganz
liefre; ſo kann ich doch ein Paar Seiten a) uͤber-
ſpringen, in denen er Homers Auftritt des Therſites
vorbringt. Was Homer geſagt, iſt mir was Al-
tes, aber was daruͤber geſagt wird, etwas Neues.
Nun will ich nicht laͤugnen, daß Homer alles
„geſammlet, was den Anblick des Menſchen haͤß-
„lich und laͤcherlich machen kann; und auch das
ſehe ich leicht ein, warum Claudius Belurgerius
„(v. Nic. Erythraei Pinacoth. p. 205. & Vincent.
„Paravicini ſing. Erud. Cent. III. n. 12. p.
150.)
„ſich an dieſem Bilde des Therſites, von der Hand
„eines geſchickten Kuͤnſtlers gemalt, ſo ſehr ergoͤtzet.
„Jmmer aber wollen wir den Spruch Quintiliani
„betrachten: Nihil poteſt placere, quod non decet,
„zu Deutſch: Nichts kann gefallen, was nicht an-
„ſtaͤndig iſt. Wenn dieſer Menſch etwa in einer
„Satyre, oder in einem andern Poſſengedichte auf-
„traͤte: ſo wuͤrde er mich nicht wenig ergoͤtzen,

und
a) p. 25. 26.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0259" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Wa&#x0364;ldchen.</hi></fw><lb/>
&#x201E;Die Sache wird aus dem zweiten Buche erhel-<lb/>
&#x201E;len &#x2014; &#x2014;&#x201E; Ob ich gleich meinen ern&#x017F;thaften<lb/>
Autor &#x017F;ehr ehrerbietig, wie ein Dekret der Sor-<lb/>
bonne u&#x0364;ber&#x017F;etze, und &#x017F;einen Styl, der im vollen<lb/>
Monde gebildet worden,</p><lb/>
          <cit>
            <quote>
              <lg type="poem">
                <l> <hi rendition="#aq">&#x2014; &#x2014; for &#x017F;cull</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#aq">That&#x2019;s empty, when te Moon is full.</hi> </l>
              </lg>
            </quote>
            <bibl/>
          </cit><lb/>
          <p>mit allen &#x017F;einen Gelenken und Gliedern gern ganz<lb/>
liefre; &#x017F;o kann ich doch ein Paar Seiten <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 25. 26.</note> u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;pringen, in denen er Homers Auftritt des Ther&#x017F;ites<lb/>
vorbringt. Was Homer ge&#x017F;agt, i&#x017F;t mir was Al-<lb/>
tes, aber was daru&#x0364;ber ge&#x017F;agt wird, etwas Neues.<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">Nun will ich nicht la&#x0364;ugnen,</hi> daß Homer alles<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;ammlet, was den Anblick des Men&#x017F;chen ha&#x0364;ß-<lb/>
&#x201E;lich und <hi rendition="#fr">la&#x0364;cherlich</hi> machen kann; und auch das<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">&#x017F;ehe ich leicht ein,</hi> warum <hi rendition="#aq">Claudius Belurgerius<lb/>
&#x201E;(v. Nic. Erythraei Pinacoth. p. 205. &amp; Vincent.<lb/>
&#x201E;Paravicini &#x017F;ing. Erud. Cent. III. n. 12. p.</hi> 150.)<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich an die&#x017F;em Bilde des Ther&#x017F;ites, von der Hand<lb/>
&#x201E;eines ge&#x017F;chickten Ku&#x0364;n&#x017F;tlers gemalt, &#x017F;o &#x017F;ehr ergo&#x0364;tzet.<lb/>
&#x201E;Jmmer aber wollen wir den Spruch <hi rendition="#aq">Quintiliani</hi><lb/>
&#x201E;betrachten: <hi rendition="#aq">Nihil pote&#x017F;t placere, quod non decet,</hi><lb/>
&#x201E;zu Deut&#x017F;ch: Nichts kann gefallen, was nicht an-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t. Wenn die&#x017F;er Men&#x017F;ch etwa in einer<lb/>
&#x201E;Satyre, oder in einem andern Po&#x017F;&#x017F;engedichte auf-<lb/>
&#x201E;tra&#x0364;te: &#x017F;o wu&#x0364;rde er <hi rendition="#fr">mich</hi> nicht wenig ergo&#x0364;tzen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0259] Erſtes Waͤldchen. „Die Sache wird aus dem zweiten Buche erhel- „len — —„ Ob ich gleich meinen ernſthaften Autor ſehr ehrerbietig, wie ein Dekret der Sor- bonne uͤberſetze, und ſeinen Styl, der im vollen Monde gebildet worden, — — for ſcull That’s empty, when te Moon is full. mit allen ſeinen Gelenken und Gliedern gern ganz liefre; ſo kann ich doch ein Paar Seiten a) uͤber- ſpringen, in denen er Homers Auftritt des Therſites vorbringt. Was Homer geſagt, iſt mir was Al- tes, aber was daruͤber geſagt wird, etwas Neues. „Nun will ich nicht laͤugnen, daß Homer alles „geſammlet, was den Anblick des Menſchen haͤß- „lich und laͤcherlich machen kann; und auch das „ſehe ich leicht ein, warum Claudius Belurgerius „(v. Nic. Erythraei Pinacoth. p. 205. & Vincent. „Paravicini ſing. Erud. Cent. III. n. 12. p. 150.) „ſich an dieſem Bilde des Therſites, von der Hand „eines geſchickten Kuͤnſtlers gemalt, ſo ſehr ergoͤtzet. „Jmmer aber wollen wir den Spruch Quintiliani „betrachten: Nihil poteſt placere, quod non decet, „zu Deutſch: Nichts kann gefallen, was nicht an- „ſtaͤndig iſt. Wenn dieſer Menſch etwa in einer „Satyre, oder in einem andern Poſſengedichte auf- „traͤte: ſo wuͤrde er mich nicht wenig ergoͤtzen, und a) p. 25. 26.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/259
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/259>, abgerufen am 04.12.2024.