Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Kritische Wälder.
Fibern in diesem einzelnen Subjekte. Gewisse Arten
des Ekels sind angebohren, wenn die Werkzeuge
des Geschmacks ursprünglich so und nicht anders ge-
bildet sind; andre sind angewohnet, und durch lan-
ge Associationen der Jdeen zur Natur geworden.
Einiges ist ekelhaft, wenn wirs kosten; ein ande-
res, wenn wirs gekostet haben, nach dem die widri-
ge Berührung schnell oder langsam geschahe u. s. w.
Das Ekelhafte, was in Gegenständen des Geschmacks
das Auge präoccupirt, ist nichts als Wiederho-
lung voriger Sensationen, aber eine so starke Wie-
derholung, daß sie selbst Sensation erregt, und also
mit derselben vermischt wird. -- Jn Gegenstän-
den des Geschmacks hat also das Auge nichts
Ekelhaftes.

Geschmack und Geruch sind in unsrer Natur
durch ein geheimes Band der Organisation verei-
nigt: die Stärke des Einen pflegt nicht ohne die
Stärke des andern zu seyn, und der Verlust des
Einen den Verlust des andern nach sich zu ziehen.
Zunächst also kommt der Ekel dem Geruche zu,
durch eine widrige Bewegung der Geruchsfibern;
darf ich aber sagen, daß er ihm blos zukomme, durch
das Band der ähnlichen Organisation mit dem
Geschmacke? Jch glaube fast: auch ein ekelhafter
Geruch erregt Erbrechen, d. i. widrige Berührung
der Geschmacksorgane. Er äußert sich also durch

den

Kritiſche Waͤlder.
Fibern in dieſem einzelnen Subjekte. Gewiſſe Arten
des Ekels ſind angebohren, wenn die Werkzeuge
des Geſchmacks urſpruͤnglich ſo und nicht anders ge-
bildet ſind; andre ſind angewohnet, und durch lan-
ge Aſſociationen der Jdeen zur Natur geworden.
Einiges iſt ekelhaft, wenn wirs koſten; ein ande-
res, wenn wirs gekoſtet haben, nach dem die widri-
ge Beruͤhrung ſchnell oder langſam geſchahe u. ſ. w.
Das Ekelhafte, was in Gegenſtaͤnden des Geſchmacks
das Auge praͤoccupirt, iſt nichts als Wiederho-
lung voriger Senſationen, aber eine ſo ſtarke Wie-
derholung, daß ſie ſelbſt Senſation erregt, und alſo
mit derſelben vermiſcht wird. — Jn Gegenſtaͤn-
den des Geſchmacks hat alſo das Auge nichts
Ekelhaftes.

Geſchmack und Geruch ſind in unſrer Natur
durch ein geheimes Band der Organiſation verei-
nigt: die Staͤrke des Einen pflegt nicht ohne die
Staͤrke des andern zu ſeyn, und der Verluſt des
Einen den Verluſt des andern nach ſich zu ziehen.
Zunaͤchſt alſo kommt der Ekel dem Geruche zu,
durch eine widrige Bewegung der Geruchsfibern;
darf ich aber ſagen, daß er ihm blos zukomme, durch
das Band der aͤhnlichen Organiſation mit dem
Geſchmacke? Jch glaube faſt: auch ein ekelhafter
Geruch erregt Erbrechen, d. i. widrige Beruͤhrung
der Geſchmacksorgane. Er aͤußert ſich alſo durch

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0272" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kriti&#x017F;che Wa&#x0364;lder.</hi></fw><lb/>
Fibern in die&#x017F;em einzelnen Subjekte. Gewi&#x017F;&#x017F;e Arten<lb/>
des Ekels &#x017F;ind angebohren, wenn die Werkzeuge<lb/>
des Ge&#x017F;chmacks ur&#x017F;pru&#x0364;nglich &#x017F;o und nicht anders ge-<lb/>
bildet &#x017F;ind; andre &#x017F;ind angewohnet, und durch lan-<lb/>
ge A&#x017F;&#x017F;ociationen der Jdeen zur Natur geworden.<lb/>
Einiges i&#x017F;t ekelhaft, wenn wirs ko&#x017F;ten; ein ande-<lb/>
res, wenn wirs geko&#x017F;tet haben, nach dem die widri-<lb/>
ge Beru&#x0364;hrung &#x017F;chnell oder lang&#x017F;am ge&#x017F;chahe u. &#x017F;. w.<lb/>
Das Ekelhafte, was in Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden des Ge&#x017F;chmacks<lb/>
das Auge pra&#x0364;occupirt, i&#x017F;t nichts als Wiederho-<lb/>
lung voriger Sen&#x017F;ationen, aber eine &#x017F;o &#x017F;tarke Wie-<lb/>
derholung, daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t Sen&#x017F;ation erregt, und al&#x017F;o<lb/>
mit der&#x017F;elben vermi&#x017F;cht wird. &#x2014; Jn Gegen&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
den des Ge&#x017F;chmacks hat al&#x017F;o das Auge nichts<lb/>
Ekelhaftes.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;chmack und Geruch &#x017F;ind in un&#x017F;rer Natur<lb/>
durch ein geheimes Band der Organi&#x017F;ation verei-<lb/>
nigt: die Sta&#x0364;rke des Einen pflegt nicht ohne die<lb/>
Sta&#x0364;rke des andern zu &#x017F;eyn, und der Verlu&#x017F;t des<lb/>
Einen den Verlu&#x017F;t des andern nach &#x017F;ich zu ziehen.<lb/>
Zuna&#x0364;ch&#x017F;t al&#x017F;o kommt der Ekel dem <hi rendition="#fr">Geruche</hi> zu,<lb/>
durch eine widrige Bewegung der Geruchsfibern;<lb/>
darf ich aber &#x017F;agen, daß er ihm blos zukomme, durch<lb/>
das Band der a&#x0364;hnlichen Organi&#x017F;ation mit dem<lb/>
Ge&#x017F;chmacke? Jch glaube fa&#x017F;t: auch ein ekelhafter<lb/>
Geruch erregt Erbrechen, d. i. widrige Beru&#x0364;hrung<lb/>
der Ge&#x017F;chmacksorgane. Er a&#x0364;ußert &#x017F;ich al&#x017F;o durch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0272] Kritiſche Waͤlder. Fibern in dieſem einzelnen Subjekte. Gewiſſe Arten des Ekels ſind angebohren, wenn die Werkzeuge des Geſchmacks urſpruͤnglich ſo und nicht anders ge- bildet ſind; andre ſind angewohnet, und durch lan- ge Aſſociationen der Jdeen zur Natur geworden. Einiges iſt ekelhaft, wenn wirs koſten; ein ande- res, wenn wirs gekoſtet haben, nach dem die widri- ge Beruͤhrung ſchnell oder langſam geſchahe u. ſ. w. Das Ekelhafte, was in Gegenſtaͤnden des Geſchmacks das Auge praͤoccupirt, iſt nichts als Wiederho- lung voriger Senſationen, aber eine ſo ſtarke Wie- derholung, daß ſie ſelbſt Senſation erregt, und alſo mit derſelben vermiſcht wird. — Jn Gegenſtaͤn- den des Geſchmacks hat alſo das Auge nichts Ekelhaftes. Geſchmack und Geruch ſind in unſrer Natur durch ein geheimes Band der Organiſation verei- nigt: die Staͤrke des Einen pflegt nicht ohne die Staͤrke des andern zu ſeyn, und der Verluſt des Einen den Verluſt des andern nach ſich zu ziehen. Zunaͤchſt alſo kommt der Ekel dem Geruche zu, durch eine widrige Bewegung der Geruchsfibern; darf ich aber ſagen, daß er ihm blos zukomme, durch das Band der aͤhnlichen Organiſation mit dem Geſchmacke? Jch glaube faſt: auch ein ekelhafter Geruch erregt Erbrechen, d. i. widrige Beruͤhrung der Geſchmacksorgane. Er aͤußert ſich alſo durch den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/272
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/272>, abgerufen am 04.12.2024.