Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. jedes Glied als ein sinnliches Bild Einer seiner Ei-genschaften. Die ganze Anthropomorphie Gottes im alten Bunde ist also nicht bildend, sondern an- deutend, symbolisch: und in weitem Verstande der Alten also, Allegorie. Dazu ist diese Allegorie nur poetisch: das sichtbare Bild wird von dem geistigen Glanze, den es bedeuten soll, verschlungen; es ver- schwindet mit dem Worte, und die Jdee, die zurück bleibt, ist eine Eigenschaft der Gottheit. Wenn kann nun der Künstler die Beschreibung Bild- G
Zweites Waͤldchen. jedes Glied als ein ſinnliches Bild Einer ſeiner Ei-genſchaften. Die ganze Anthropomorphie Gottes im alten Bunde iſt alſo nicht bildend, ſondern an- deutend, ſymboliſch: und in weitem Verſtande der Alten alſo, Allegorie. Dazu iſt dieſe Allegorie nur poetiſch: das ſichtbare Bild wird von dem geiſtigen Glanze, den es bedeuten ſoll, verſchlungen; es ver- ſchwindet mit dem Worte, und die Jdee, die zuruͤck bleibt, iſt eine Eigenſchaft der Gottheit. Wenn kann nun der Kuͤnſtler die Beſchreibung Bild- G
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Zweites Waͤldchen.
jedes Glied als ein ſinnliches Bild Einer ſeiner Ei-
genſchaften. Die ganze Anthropomorphie Gottes
im alten Bunde iſt alſo nicht bildend, ſondern an-
deutend, ſymboliſch: und in weitem Verſtande der
Alten alſo, Allegorie. Dazu iſt dieſe Allegorie nur
poetiſch: das ſichtbare Bild wird von dem geiſtigen
Glanze, den es bedeuten ſoll, verſchlungen; es ver-
ſchwindet mit dem Worte, und die Jdee, die zuruͤck
bleibt, iſt eine Eigenſchaft der Gottheit.
Wenn kann nun der Kuͤnſtler die Beſchreibung
der Bibel fuͤr eine Erlaubniß halten, Gott nachzu-
bilden? Wenn er ſeine Bildung der Gottheit in je-
dem Gliede derſelben auch ſo andeutend, ſo allegoriſch
machen kann, daß das Zeichen verſchwindet, und
nichts als der bezeichnete Begriff zuruͤckbleibt — in
keinem andern Falle ſehe ich Erlaubniß. Kann ich
Gott ſo zeichnen, daß mir bei ſeiner Hand der All-
maͤchtige einfaͤllt, der Welten waͤgt, und Erden an-
ruͤhret, daß ſie vergehen; außer dieſer Bedeutung
der Allmacht aber das Zeichen, die Hand ſelbſt,
nichts ſey: kann ich Gottes Ohr und Auge blos als
Sinnbilder ſeiner Allwiſſenheit darſtellen, daß ſie
weiter keinen Eindruck laſſen: Gottes Fuß nicht an
ſich, ſondern als den, deſſen Schemel der Erdball
iſt, nicht als der Theil eines menſchlichen Koͤrpers
— kann ich ſo den Geiſt malen und bilden, daß der
Koͤrper nichts, als Sinnbild des Geiſtes, und zwar
des vollkommenſten Geiſtes, iſt: ſo kann ich ein
Bild-
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