Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. Wenn Hagedorn der Freude singet, bleibet er Ramler hat sein Lied in ein solches Gemälde und H 2
Zweites Waͤldchen. Wenn Hagedorn der Freude ſinget, bleibet er Ramler hat ſein Lied in ein ſolches Gemaͤlde und H 2
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Zweites Waͤldchen.
Wenn Hagedorn der Freude ſinget, bleibet er
freilich nicht mit jedem Zuge der Allegorie treu,
und wollte es auch nicht bleiben. Seine Freude
iſt ihm eine Goͤttinn, der das Vergnuͤgen gefaͤllt,
nicht ein allegoriſches Gerippe derſelben. Er kann
ſich alſo denken, daß ſein Lied „dieſelbe vergroͤßere,
„daß ſie das Gluͤck der Welt, die Kraft der Seele,
„das halbe Leben ſey; daß ſie die Vernunft erheite-
„re, u. ſ. w.„ Praͤdikate, die der Freude uͤber-
haupt zukommen, nicht aber dem perſonifiirten Be-
griffe derſelben, der Freudengoͤttinn, der Hagedorn
frohe Empfindungen opfert, nicht dem allegoriſchen
Wortgemaͤlde — —
Ramler hat ſein Lied in ein ſolches Gemaͤlde
veraͤndern wollen. Er loͤſchte die Striche aus, die
bei der allegoriſchen Figur nicht Statt fanden; er
that neue hinzu, die ſie ſichtbarer machten. Er gab
der Freude Kinder, er machte ſie ſelbſt zum Kinde
des Himmels, er verwandelte die Kenner, perſon-
neller in Dichter der Freude; er machte lieber eine
lange Parentheſe, ehe er dieſe mit einer andern alle-
goriſchen Perſon, dem Gluͤcke, haͤtte vermiſchen laſſen;
er gebot ihr die Geſellſchaft unvernuͤnſtiger Bacchan-
ten zu fliehen; — kurz! er blieb, in jedem Zuge,
dem Bilde einer allegoriſchen Perſon treu. Hat er
das Lied verbeſſert? Als ein allegoriſches Poem, frei-
lich; aber, als ein Geſang der Empfindungen, der
Freudengoͤttinn geſungen, ohne dieſelbe ins Stamm-
und
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