Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. ling der menschlichen, nicht blos bürgerlichen, nichtblos artigen Gesellschaft: sie ist näher unsrer Na- tur; und das nur habe ich sagen wollen. 4. Wie? wenn wir nun jetzt, da wir diese Göt- Wenn bei einem Weibe die wohlbewachte in
Zweites Waͤldchen. ling der menſchlichen, nicht blos buͤrgerlichen, nichtblos artigen Geſellſchaft: ſie iſt naͤher unſrer Na- tur; und das nur habe ich ſagen wollen. 4. Wie? wenn wir nun jetzt, da wir dieſe Goͤt- Wenn bei einem Weibe die wohlbewachte in
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Zweites Waͤldchen.
ling der menſchlichen, nicht blos buͤrgerlichen, nicht
blos artigen Geſellſchaft: ſie iſt naͤher unſrer Na-
tur; und das nur habe ich ſagen wollen.
4.
Wie? wenn wir nun jetzt, da wir dieſe Goͤt-
tinnen der Schamhaftigkeit einiger maßen von
Geſichte, oder nach ihren Huͤllen wenigſtens haben
unterſcheiden gelernet, uns nach ihnen unter ver-
ſchiednen Voͤlkern, in verſchiednen Zeitaltern, um-
ſehen wuͤrden: wie ſie da erſchienen? — Mich
duͤnkt, ohne Vorausſetzungen hieruͤber laͤßt ſich kaum
von der Schamhaftigkeit eines fremden Volks, ei-
ner abgeſtorbnen Zeit, oder gar fremder Voͤlker, ab-
geſtorbner Zeiten reden; noch weniger laſſen ſie ſich
vergleichen, noch weniger aus einer fremden Scham-
zeit beurtheilen. — Jch wage mich alſo an ei-
nen hiſtoriſchen und geographiſchen Blick uͤber Zei-
ten und Voͤlker — nicht aber an eine Geographie
der Zucht, oder an eine Schamhiſtorie aller Zeiten.
Wenn bei einem Weibe die wohlbewachte
Scham die Fuͤhrerinn ihrer Tugenden iſt, wie Dia-
na bei Virgil ihrer Oreaden: wenn, nach der weib-
lichen Moral, Schaam und Zucht vorzuͤglich Tu-
gend heißet, und bei manchen auch beinahe die Stel-
le aller uͤbrigen Tugenden vertritt: ſo wird man die-
ſe Empfindung auch eigentlich da wirken ſehen, wo
in
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