Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. kleinigkeit Gelegenheit nimmt, auch der Ernesti-schen Ausgabe Homers einen Liebesstreich zu ver- setzen, daß sie das onthos, das dem derben Ajax um Mund und Nase fliegt, und den kopros, in wel- chem sich Priamus wälzet, nicht in ein artiges quidni potius per pulverem? verdollmetschet und verhöflichet hat. Mich freuet die würdige Dispüte, und ich empfehle nächstens den Unterschied zwischen onthos und kopros einem bündigen Concilio ko- pronumo, vt libere sententiam dicat. Was gölte es aber, wenn wir auch einen ehrli- Von L 3
Zweites Waͤldchen. kleinigkeit Gelegenheit nimmt, auch der Erneſti-ſchen Ausgabe Homers einen Liebesſtreich zu ver- ſetzen, daß ſie das ονϑος, das dem derben Ajax um Mund und Naſe fliegt, und den κοπρος, in wel- chem ſich Priamus waͤlzet, nicht in ein artiges quidni potius per pulverem? verdollmetſchet und verhoͤflichet hat. Mich freuet die wuͤrdige Diſpuͤte, und ich empfehle naͤchſtens den Unterſchied zwiſchen ονϑος und κοπρος einem buͤndigen Concilio κο- προνυμω, vt libere ſententiam dicat. Was goͤlte es aber, wenn wir auch einen ehrli- Von L 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0171" n="165"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweites Waͤldchen.</hi></fw><lb/> kleinigkeit Gelegenheit nimmt, auch der Erneſti-<lb/> ſchen Ausgabe Homers einen Liebesſtreich zu ver-<lb/> ſetzen, daß ſie das ονϑος, das dem derben Ajax um<lb/> Mund und Naſe fliegt, und den κοπρος, in wel-<lb/> chem ſich Priamus waͤlzet, nicht in ein artiges<lb/><hi rendition="#aq">quidni potius per <hi rendition="#i">pulverem?</hi></hi> verdollmetſchet und<lb/><hi rendition="#fr">verhoͤflichet</hi> hat. Mich freuet die wuͤrdige Diſpuͤte,<lb/> und ich empfehle naͤchſtens den Unterſchied zwiſchen<lb/> ονϑος und κοπρος einem buͤndigen <hi rendition="#aq">Concilio</hi> κο-<lb/> προνυμω, <hi rendition="#aq">vt libere ſententiam dicat.</hi></p><lb/> <p>Was goͤlte es aber, wenn wir auch einen ehrli-<lb/> chen Scythen mit dahin ſchickten, der ſich ſchon ein-<lb/> mal mit Solon uͤber eine ſolche Kothmaterie beſpro-<lb/> chen, der ſich nicht gnug wundern konnte, da er die<lb/> wettringenden Juͤnglinge ſich im Staube waͤlzen<lb/> ſah, der uͤber dieſen mit ſolchem boͤſen Ueberguſſe<lb/> gypſirten Figuren ſeltſame Augen macht, immer<lb/> wieder darauf zuruͤckkommt, und ſich endlich von<lb/> dem griechiſchen Geſetzgeber ſchwer, ſchwer dieſe Koth-<lb/> uͤbungen erklaͤren laͤßt. Es iſt der Anacharſis des<lb/> Lucians. Dieſer gute Kahlkopf mag lehren, daß<lb/> die oͤftern freien Leibesuͤbungen der alten Griechen<lb/> von Jugend auf, auf Erde, Staub und Koth ihnen<lb/> einen ſolchen Anblick des Ajax oder Priamus, den<lb/> ihnen Homer vorlegt, wohl nicht ſo ekel gemacht<lb/> haben doͤrften, als uns, die wir auf Pflaſter und<lb/> Polſter treten. — —</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">L 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [165/0171]
Zweites Waͤldchen.
kleinigkeit Gelegenheit nimmt, auch der Erneſti-
ſchen Ausgabe Homers einen Liebesſtreich zu ver-
ſetzen, daß ſie das ονϑος, das dem derben Ajax um
Mund und Naſe fliegt, und den κοπρος, in wel-
chem ſich Priamus waͤlzet, nicht in ein artiges
quidni potius per pulverem? verdollmetſchet und
verhoͤflichet hat. Mich freuet die wuͤrdige Diſpuͤte,
und ich empfehle naͤchſtens den Unterſchied zwiſchen
ονϑος und κοπρος einem buͤndigen Concilio κο-
προνυμω, vt libere ſententiam dicat.
Was goͤlte es aber, wenn wir auch einen ehrli-
chen Scythen mit dahin ſchickten, der ſich ſchon ein-
mal mit Solon uͤber eine ſolche Kothmaterie beſpro-
chen, der ſich nicht gnug wundern konnte, da er die
wettringenden Juͤnglinge ſich im Staube waͤlzen
ſah, der uͤber dieſen mit ſolchem boͤſen Ueberguſſe
gypſirten Figuren ſeltſame Augen macht, immer
wieder darauf zuruͤckkommt, und ſich endlich von
dem griechiſchen Geſetzgeber ſchwer, ſchwer dieſe Koth-
uͤbungen erklaͤren laͤßt. Es iſt der Anacharſis des
Lucians. Dieſer gute Kahlkopf mag lehren, daß
die oͤftern freien Leibesuͤbungen der alten Griechen
von Jugend auf, auf Erde, Staub und Koth ihnen
einen ſolchen Anblick des Ajax oder Priamus, den
ihnen Homer vorlegt, wohl nicht ſo ekel gemacht
haben doͤrften, als uns, die wir auf Pflaſter und
Polſter treten. — —
Von
L 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |