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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

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Zweites Wäldchen.
mit seiner Schutzrede selbst in Verdacht zu bringen,
selbst schamroth zu machen! -- -- Am besten,
daß er hinter das ganze Non-sense dieses Haupt-
stücks hinten nach sagt: Vom Virgil wußte ich
hierüber nichts zu sagen!

Oder soll es die Schamhaftigkeit Virgils aus-
machen, daß man ihn gegen die Auslegungen eines
Servius rettet? a) So hat man ihn längst, und
wir werden sehen, wie fern gerettet.

Oder soll es die Schamhaftigkeit Virgils aus-
machen, daß er die Umarmung der Dido nicht mah-
len wollen? b) Und wer wird sie mahlen wollen?
Hat denn Homer seine Umarmung der Helena ge-
mahlet? Ohngeachtet des höflichen non probo! un-
sers Autors finde ich Homeren in seiner unschuldig
einfältigen Erzälung keuscher, als Virgilen in sei-
nem Shandyschen; Macht die Thür zu! und
des kahlen: non decet talis pictura carminis epici
dignitatem!
bin ich, wenn nichts weiter ist, herz-
lich müde.

Bei Homer ist blos das Charakteristische im An-
trage des Paris der Zweck der Muse; wenn der
Antrag und zwar zu der Zeit, in der Situation
wegfällt; so falle die ganze Stelle weg: so brauche
die Muse diesen Schritt nicht. Bei Virgilen ists
die Umarmung seines Paares selbst, die in das

Wesen
a) p. 256.
b) p. 261 -- 263.
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Zweites Waͤldchen.
mit ſeiner Schutzrede ſelbſt in Verdacht zu bringen,
ſelbſt ſchamroth zu machen! — — Am beſten,
daß er hinter das ganze Non-ſenſe dieſes Haupt-
ſtuͤcks hinten nach ſagt: Vom Virgil wußte ich
hieruͤber nichts zu ſagen!

Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus-
machen, daß man ihn gegen die Auslegungen eines
Servius rettet? a) So hat man ihn laͤngſt, und
wir werden ſehen, wie fern gerettet.

Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus-
machen, daß er die Umarmung der Dido nicht mah-
len wollen? b) Und wer wird ſie mahlen wollen?
Hat denn Homer ſeine Umarmung der Helena ge-
mahlet? Ohngeachtet des hoͤflichen non probo! un-
ſers Autors finde ich Homeren in ſeiner unſchuldig
einfaͤltigen Erzaͤlung keuſcher, als Virgilen in ſei-
nem Shandyſchen; Macht die Thuͤr zu! und
des kahlen: non decet talis pictura carminis epici
dignitatem!
bin ich, wenn nichts weiter iſt, herz-
lich muͤde.

Bei Homer iſt blos das Charakteriſtiſche im An-
trage des Paris der Zweck der Muſe; wenn der
Antrag und zwar zu der Zeit, in der Situation
wegfaͤllt; ſo falle die ganze Stelle weg: ſo brauche
die Muſe dieſen Schritt nicht. Bei Virgilen iſts
die Umarmung ſeines Paares ſelbſt, die in das

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a) p. 256.
b) p. 261 — 263.
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[177/0183] Zweites Waͤldchen. mit ſeiner Schutzrede ſelbſt in Verdacht zu bringen, ſelbſt ſchamroth zu machen! — — Am beſten, daß er hinter das ganze Non-ſenſe dieſes Haupt- ſtuͤcks hinten nach ſagt: Vom Virgil wußte ich hieruͤber nichts zu ſagen! Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus- machen, daß man ihn gegen die Auslegungen eines Servius rettet? a) So hat man ihn laͤngſt, und wir werden ſehen, wie fern gerettet. Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus- machen, daß er die Umarmung der Dido nicht mah- len wollen? b) Und wer wird ſie mahlen wollen? Hat denn Homer ſeine Umarmung der Helena ge- mahlet? Ohngeachtet des hoͤflichen non probo! un- ſers Autors finde ich Homeren in ſeiner unſchuldig einfaͤltigen Erzaͤlung keuſcher, als Virgilen in ſei- nem Shandyſchen; Macht die Thuͤr zu! und des kahlen: non decet talis pictura carminis epici dignitatem! bin ich, wenn nichts weiter iſt, herz- lich muͤde. Bei Homer iſt blos das Charakteriſtiſche im An- trage des Paris der Zweck der Muſe; wenn der Antrag und zwar zu der Zeit, in der Situation wegfaͤllt; ſo falle die ganze Stelle weg: ſo brauche die Muſe dieſen Schritt nicht. Bei Virgilen iſts die Umarmung ſeines Paares ſelbſt, die in das Weſen a) p. 256. b) p. 261 — 263. M

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/183>, abgerufen am 21.11.2024.