Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. Barde voriger Zeiten für seine Zeit. Wersich in diese zurück setzen kann, in Erziehung und Sit- ten, und Leidenschaften und Charaktere, und Spra- che und Religion -- für den singt Homer, für keinen andern. Es ist lächerlich, vom Homer fodern, daß er Und a) Epist. Homer. p. 24.
Kritiſche Waͤlder. Barde voriger Zeiten fuͤr ſeine Zeit. Werſich in dieſe zuruͤck ſetzen kann, in Erziehung und Sit- ten, und Leidenſchaften und Charaktere, und Spra- che und Religion — fuͤr den ſingt Homer, fuͤr keinen andern. Es iſt laͤcherlich, vom Homer fodern, daß er Und a) Epiſt. Homer. p. 24.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Barde voriger Zeiten fuͤr ſeine Zeit.</hi> Wer<lb/> ſich in dieſe zuruͤck ſetzen kann, in Erziehung und Sit-<lb/> ten, und Leidenſchaften und Charaktere, und Spra-<lb/> che und Religion — fuͤr den ſingt Homer, fuͤr<lb/> keinen andern.</p><lb/> <p>Es iſt laͤcherlich, vom Homer fodern, daß er<lb/> ſich nach den Sitten einer kuͤnftigen Zeit haͤtte rich-<lb/> ten ſollen. Dazu gehoͤrt Gabe der Weiſſagung,<lb/> und noch was mehr, die Gabe unmoͤgliche Dinge<lb/> zu thun. Wenn wir fodern, daß Homer fuͤr unſre<lb/> Zeit und Denkart haͤtte ſchreiben ſollen, ſo haͤtte es<lb/> ein alter Jndianer und Perſer, der auch Homeren<lb/> in ſeiner Sprache las, fodern koͤnnen! So auch ein<lb/> ſcholaſtiſcher Moͤnch des funfzehenten Jahrhun-<lb/> derts, wenn er uͤber Homer kam! ſo auch ein hot-<lb/> tentottiſcher Kunſtrichter, wenn einmal der Genius<lb/> der Wiſſenſchaften Europa verlaſſen, und mit Ho-<lb/> meren in der Hand nach dem Vorgebirge der guten<lb/> Hoffnung ziehen wird! ſo auch ein jeder Thor von<lb/> Einſiedler, der auf einer Saͤule, wie Simon der<lb/> Stylite, alt und grau wurde! Alle werden als-<lb/> denn im vereinigtem Chore mit unſerm lateiniſchen<lb/> Perrault anſtimmen koͤnnen <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Epiſt. Homer. p.</hi> 24.</note>: <hi rendition="#aq">Homerum dormi-<lb/> taſſe aliquoties, apparet. Quod iis in locis in-<lb/> primis patere exiſtimo, ubi ‒ ‒ ‒ Tuæ ætatis mo-<lb/> ribus inſeruit nondum politis ſatis, & cum ſim-<lb/> plicitate ruſticum aliquid & aſperum habentibus.</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0022]
Kritiſche Waͤlder.
Barde voriger Zeiten fuͤr ſeine Zeit. Wer
ſich in dieſe zuruͤck ſetzen kann, in Erziehung und Sit-
ten, und Leidenſchaften und Charaktere, und Spra-
che und Religion — fuͤr den ſingt Homer, fuͤr
keinen andern.
Es iſt laͤcherlich, vom Homer fodern, daß er
ſich nach den Sitten einer kuͤnftigen Zeit haͤtte rich-
ten ſollen. Dazu gehoͤrt Gabe der Weiſſagung,
und noch was mehr, die Gabe unmoͤgliche Dinge
zu thun. Wenn wir fodern, daß Homer fuͤr unſre
Zeit und Denkart haͤtte ſchreiben ſollen, ſo haͤtte es
ein alter Jndianer und Perſer, der auch Homeren
in ſeiner Sprache las, fodern koͤnnen! So auch ein
ſcholaſtiſcher Moͤnch des funfzehenten Jahrhun-
derts, wenn er uͤber Homer kam! ſo auch ein hot-
tentottiſcher Kunſtrichter, wenn einmal der Genius
der Wiſſenſchaften Europa verlaſſen, und mit Ho-
meren in der Hand nach dem Vorgebirge der guten
Hoffnung ziehen wird! ſo auch ein jeder Thor von
Einſiedler, der auf einer Saͤule, wie Simon der
Stylite, alt und grau wurde! Alle werden als-
denn im vereinigtem Chore mit unſerm lateiniſchen
Perrault anſtimmen koͤnnen a): Homerum dormi-
taſſe aliquoties, apparet. Quod iis in locis in-
primis patere exiſtimo, ubi ‒ ‒ ‒ Tuæ ætatis mo-
ribus inſeruit nondum politis ſatis, & cum ſim-
plicitate ruſticum aliquid & aſperum habentibus.
Und
a) Epiſt. Homer. p. 24.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |