Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Wäldchen.
-- patiens vocari
Caesaris vltor.

Als Bote der Götter giebt er jetzt Rom Entsündi-
gung und Friede. Sogleich verschwinden Wunder-
zeichen, Götter und Rächer. "Lang, o Kaiser,
und glücklich sei unter deinem Volke: und wende dei-
nen Arm (von den Feinden deines Vorgängers und
Hauses ab, lieber) auf die Feinde Roms, die Bar-
barn! Das sind Kriege, (nicht wie die, die du im
Namen der Rachgötter geführet hast: bella non
habitura triumphos,
sondern) die dir Triumphe
bringen können: dann bist du ein Vater deines Va-
terlandes. -- Jrre ich nicht, so ist das der Ton
der im Ganzen der Ode herrscht! und die Feinheit,
die vorige Rache des Cäsars, den strafenden Göt-
tern, die jetzige entsündigte Ruhe Roms dem Kai-
ser zuzuschreiben, ist gleichsam die lebende, die römi-
sche Grazie der Ode.

Nun komme jemand, und schreibe seitenlang
den mythologischen locus commuuis aus: was
Merkur für ein guter Mensch, daß er beredt, auch
ein Erfinder der Citter, auch ein Aufseher der Kampf-
spiele, und was weiß ich mehr? gewesen, daß Mer-
kur wirklich mit ihm verglichen werden könne --
elender Auswurf der Mythologie! So wenig, als
mit Merkur, dem listigen Betrüger, dem Schaf-
diebe; so wenig wird er mit Merkur dem Erfinder
der Citter, dem Aufseher der Kampfspiele u. s. w.

ver-
Zweites Waͤldchen.
— patiens vocari
Caeſaris vltor.

Als Bote der Goͤtter giebt er jetzt Rom Entſuͤndi-
gung und Friede. Sogleich verſchwinden Wunder-
zeichen, Goͤtter und Raͤcher. „Lang, o Kaiſer,
und gluͤcklich ſei unter deinem Volke: und wende dei-
nen Arm (von den Feinden deines Vorgaͤngers und
Hauſes ab, lieber) auf die Feinde Roms, die Bar-
barn! Das ſind Kriege, (nicht wie die, die du im
Namen der Rachgoͤtter gefuͤhret haſt: bella non
habitura triumphos,
ſondern) die dir Triumphe
bringen koͤnnen: dann biſt du ein Vater deines Va-
terlandes. — Jrre ich nicht, ſo iſt das der Ton
der im Ganzen der Ode herrſcht! und die Feinheit,
die vorige Rache des Caͤſars, den ſtrafenden Goͤt-
tern, die jetzige entſuͤndigte Ruhe Roms dem Kai-
ſer zuzuſchreiben, iſt gleichſam die lebende, die roͤmi-
ſche Grazie der Ode.

Nun komme jemand, und ſchreibe ſeitenlang
den mythologiſchen locus commuuis aus: was
Merkur fuͤr ein guter Menſch, daß er beredt, auch
ein Erfinder der Citter, auch ein Aufſeher der Kampf-
ſpiele, und was weiß ich mehr? geweſen, daß Mer-
kur wirklich mit ihm verglichen werden koͤnne —
elender Auswurf der Mythologie! So wenig, als
mit Merkur, dem liſtigen Betruͤger, dem Schaf-
diebe; ſo wenig wird er mit Merkur dem Erfinder
der Citter, dem Aufſeher der Kampfſpiele u. ſ. w.

ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0229" n="223"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweites Wa&#x0364;ldchen.</hi> </fw><lb/>
          <cit>
            <quote>
              <lg type="poem">
                <l> <hi rendition="#aq">&#x2014; patiens vocari</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#aq">Cae&#x017F;aris vltor.</hi> </l>
              </lg>
            </quote>
          </cit><lb/>
          <p>Als Bote der Go&#x0364;tter giebt er jetzt Rom Ent&#x017F;u&#x0364;ndi-<lb/>
gung und Friede. Sogleich ver&#x017F;chwinden Wunder-<lb/>
zeichen, Go&#x0364;tter und Ra&#x0364;cher. &#x201E;Lang, o Kai&#x017F;er,<lb/>
und glu&#x0364;cklich &#x017F;ei unter deinem Volke: und wende dei-<lb/>
nen Arm (von den Feinden deines Vorga&#x0364;ngers und<lb/>
Hau&#x017F;es ab, lieber) auf die Feinde Roms, die Bar-<lb/>
barn! Das &#x017F;ind Kriege, (nicht wie die, die du im<lb/>
Namen der Rachgo&#x0364;tter gefu&#x0364;hret ha&#x017F;t: <hi rendition="#aq">bella non<lb/>
habitura triumphos,</hi> &#x017F;ondern) die dir Triumphe<lb/>
bringen ko&#x0364;nnen: dann bi&#x017F;t du ein Vater deines Va-<lb/>
terlandes. &#x2014; Jrre ich nicht, &#x017F;o i&#x017F;t das der Ton<lb/>
der im Ganzen der Ode herr&#x017F;cht! und die Feinheit,<lb/>
die vorige Rache des Ca&#x0364;&#x017F;ars, den &#x017F;trafenden Go&#x0364;t-<lb/>
tern, die jetzige ent&#x017F;u&#x0364;ndigte Ruhe Roms dem Kai-<lb/>
&#x017F;er zuzu&#x017F;chreiben, i&#x017F;t gleich&#x017F;am die lebende, die ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;che Grazie der Ode.</p><lb/>
          <p>Nun komme jemand, und &#x017F;chreibe &#x017F;eitenlang<lb/>
den mythologi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">locus commuuis</hi> aus: was<lb/>
Merkur fu&#x0364;r ein guter Men&#x017F;ch, daß er beredt, auch<lb/>
ein Erfinder der Citter, auch ein Auf&#x017F;eher der Kampf-<lb/>
&#x017F;piele, und was weiß ich mehr? gewe&#x017F;en, daß Mer-<lb/>
kur wirklich mit ihm verglichen werden ko&#x0364;nne &#x2014;<lb/>
elender Auswurf der Mythologie! So wenig, als<lb/>
mit Merkur, dem li&#x017F;tigen Betru&#x0364;ger, dem Schaf-<lb/>
diebe; &#x017F;o wenig wird er mit Merkur dem Erfinder<lb/>
der Citter, dem <hi rendition="#fr">Auf&#x017F;eher der Kampf&#x017F;piele</hi> u. &#x017F;. w.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0229] Zweites Waͤldchen. — patiens vocari Caeſaris vltor. Als Bote der Goͤtter giebt er jetzt Rom Entſuͤndi- gung und Friede. Sogleich verſchwinden Wunder- zeichen, Goͤtter und Raͤcher. „Lang, o Kaiſer, und gluͤcklich ſei unter deinem Volke: und wende dei- nen Arm (von den Feinden deines Vorgaͤngers und Hauſes ab, lieber) auf die Feinde Roms, die Bar- barn! Das ſind Kriege, (nicht wie die, die du im Namen der Rachgoͤtter gefuͤhret haſt: bella non habitura triumphos, ſondern) die dir Triumphe bringen koͤnnen: dann biſt du ein Vater deines Va- terlandes. — Jrre ich nicht, ſo iſt das der Ton der im Ganzen der Ode herrſcht! und die Feinheit, die vorige Rache des Caͤſars, den ſtrafenden Goͤt- tern, die jetzige entſuͤndigte Ruhe Roms dem Kai- ſer zuzuſchreiben, iſt gleichſam die lebende, die roͤmi- ſche Grazie der Ode. Nun komme jemand, und ſchreibe ſeitenlang den mythologiſchen locus commuuis aus: was Merkur fuͤr ein guter Menſch, daß er beredt, auch ein Erfinder der Citter, auch ein Aufſeher der Kampf- ſpiele, und was weiß ich mehr? geweſen, daß Mer- kur wirklich mit ihm verglichen werden koͤnne — elender Auswurf der Mythologie! So wenig, als mit Merkur, dem liſtigen Betruͤger, dem Schaf- diebe; ſo wenig wird er mit Merkur dem Erfinder der Citter, dem Aufſeher der Kampfſpiele u. ſ. w. ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/229
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/229>, abgerufen am 24.11.2024.