Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. verglichen. Hier ist Merkur "ein Bote der Göt-"ter," Cäsars Tod zu rächen (patiens vocari Ca- saris vltor) oder wenn man noch mehr will, Rom zu entsündigen; nichts mehr! Der Poet giebt auch nicht so eigentlich und ausführlich dem August die Prädikate Merkurs, daß ein künftiger Ausleger so manches Schöne darüber sagen könne: Augustus personam Mercurii induens pacifer, salus generis humani, eloquens etc. Wir von Gottes Gnaden, unter dem Bilde Merkurs, der Friedengeber, die Lust der Welt, beredt, ein Liebhaber der Musen, und was der mythologische Kram uns vom Mer- kur mehr sagen möge. So viel ich sehe, so macht Horaz nur eine polite Einkleidung. Nicht August soll es seyn, der Cäsars Tod vormals gerächet: die Götter selbst sinds gewesen, und der Bote der Göt- ter selbst. Hätte es dem Dichter gefallen, den rä- chenden Apollo oder den erzürnten Mars zuletzt zu setzen: so hätte er, nur mit umgeänderter Einklei- dung, den Römern denselben Gedanken sagen kön- nen, der jetzt die Ode durch herrschet: die Zeiten der Strafen und Strafbedeutungen sind vorbei: "man denke nicht mehr an Unfälle, wobei die Göt- "ter selbst ihre Hand im Spiele gehabt: jetzt haben "wir einen Entsündiger, einen Vater des Volks, "einen August!" Und welche Ode konnte mit der Einkleidung, die Horaz gewählet, der Zeit wür- diger seyn, die Geßner bei dieser Ode annimmt. Schon
Kritiſche Waͤlder. verglichen. Hier iſt Merkur „ein Bote der Goͤt-„ter,„ Caͤſars Tod zu raͤchen (patiens vocari Ca- ſaris vltor) oder wenn man noch mehr will, Rom zu entſuͤndigen; nichts mehr! Der Poet giebt auch nicht ſo eigentlich und ausfuͤhrlich dem Auguſt die Praͤdikate Merkurs, daß ein kuͤnftiger Ausleger ſo manches Schoͤne daruͤber ſagen koͤnne: Auguſtus perſonam Mercurii induens pacifer, ſalus generis humani, eloquens etc. Wir von Gottes Gnaden, unter dem Bilde Merkurs, der Friedengeber, die Luſt der Welt, beredt, ein Liebhaber der Muſen, und was der mythologiſche Kram uns vom Mer- kur mehr ſagen moͤge. So viel ich ſehe, ſo macht Horaz nur eine polite Einkleidung. Nicht Auguſt ſoll es ſeyn, der Caͤſars Tod vormals geraͤchet: die Goͤtter ſelbſt ſinds geweſen, und der Bote der Goͤt- ter ſelbſt. Haͤtte es dem Dichter gefallen, den raͤ- chenden Apollo oder den erzuͤrnten Mars zuletzt zu ſetzen: ſo haͤtte er, nur mit umgeaͤnderter Einklei- dung, den Roͤmern denſelben Gedanken ſagen koͤn- nen, der jetzt die Ode durch herrſchet: die Zeiten der Strafen und Strafbedeutungen ſind vorbei: „man denke nicht mehr an Unfaͤlle, wobei die Goͤt- „ter ſelbſt ihre Hand im Spiele gehabt: jetzt haben „wir einen Entſuͤndiger, einen Vater des Volks, „einen Auguſt!„ Und welche Ode konnte mit der Einkleidung, die Horaz gewaͤhlet, der Zeit wuͤr- diger ſeyn, die Geßner bei dieſer Ode annimmt. Schon
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Kritiſche Waͤlder.
verglichen. Hier iſt Merkur „ein Bote der Goͤt-
„ter,„ Caͤſars Tod zu raͤchen (patiens vocari Ca-
ſaris vltor) oder wenn man noch mehr will, Rom
zu entſuͤndigen; nichts mehr! Der Poet giebt auch
nicht ſo eigentlich und ausfuͤhrlich dem Auguſt die
Praͤdikate Merkurs, daß ein kuͤnftiger Ausleger ſo
manches Schoͤne daruͤber ſagen koͤnne: Auguſtus
perſonam Mercurii induens pacifer, ſalus generis
humani, eloquens etc. Wir von Gottes Gnaden,
unter dem Bilde Merkurs, der Friedengeber, die
Luſt der Welt, beredt, ein Liebhaber der Muſen,
und was der mythologiſche Kram uns vom Mer-
kur mehr ſagen moͤge. So viel ich ſehe, ſo macht
Horaz nur eine polite Einkleidung. Nicht Auguſt
ſoll es ſeyn, der Caͤſars Tod vormals geraͤchet: die
Goͤtter ſelbſt ſinds geweſen, und der Bote der Goͤt-
ter ſelbſt. Haͤtte es dem Dichter gefallen, den raͤ-
chenden Apollo oder den erzuͤrnten Mars zuletzt zu
ſetzen: ſo haͤtte er, nur mit umgeaͤnderter Einklei-
dung, den Roͤmern denſelben Gedanken ſagen koͤn-
nen, der jetzt die Ode durch herrſchet: die Zeiten
der Strafen und Strafbedeutungen ſind vorbei:
„man denke nicht mehr an Unfaͤlle, wobei die Goͤt-
„ter ſelbſt ihre Hand im Spiele gehabt: jetzt haben
„wir einen Entſuͤndiger, einen Vater des Volks,
„einen Auguſt!„ Und welche Ode konnte mit
der Einkleidung, die Horaz gewaͤhlet, der Zeit wuͤr-
diger ſeyn, die Geßner bei dieſer Ode annimmt.
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