Od. X, 3. steht unter Merkurs Lobsprüchen das Sabinische Wort: catus:
-- -- qui feros cultus hominum rece ntum Voce formasti catus --
und wer weiß, was catus ist? Hr. Klotz soll es sagen a). Non sola voce hoc fecit, sed eatus h. e. acutus studia vniuscuiusque sectatus ad animos velut descendit, et callide ita quemque mouere studuit, vt illius cupiditates poscere videbantur. Entweder ich verstehe Horaz nicht, oder Hr. Klotz hat ihn nicht verstanden. Merkur, denke ich, bil- dete die ersten Wilden, theils, daß er, der scharfsin- nige Merkur, ihnen Sprache gab; theils daß er ihre Glieder bildete; jenes, nach der allgemeinen Tradition, die Menschen seyn durch die Sprache ge- sittet geworden; dies, um ihnen die thierische Plump- heit des Körpers abzugewöhnen. Jst dies der Verstand des Dichters: so ist das quomodo leni- verit hominum animos wohl nichts; so ists wohl kein Gegensatz: non sola voce hoc fecit, sed ca- tus: so hat mein Commentator ein Non-sense ge- sagt. Jst dies aber nicht der Verstand des Dich- ters; wollte er sagen: Merkur habe den Thiermen- schen täglich eine beredte Predigt gehalten, in der er catus auf die Neigungen und Gemüthsart jedes seiner respektiven Herren Zuhörer gesehen, sich zu ihnen herabgelassen, und nach vollbrachter Predigt
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Zweites Waͤldchen.
Od. X, 3. ſteht unter Merkurs Lobſpruͤchen das Sabiniſche Wort: catus:
— — qui feros cultus hominum rece ntum Voce formaſti catus —
und wer weiß, was catus iſt? Hr. Klotz ſoll es ſagen a). Non ſola voce hoc fecit, ſed eatus h. e. acutus ſtudia vniuscuiusque ſectatus ad animos velut deſcendit, et callide ita quemque mouere ſtuduit, vt illius cupiditates poſcere videbantur. Entweder ich verſtehe Horaz nicht, oder Hr. Klotz hat ihn nicht verſtanden. Merkur, denke ich, bil- dete die erſten Wilden, theils, daß er, der ſcharfſin- nige Merkur, ihnen Sprache gab; theils daß er ihre Glieder bildete; jenes, nach der allgemeinen Tradition, die Menſchen ſeyn durch die Sprache ge- ſittet geworden; dies, um ihnen die thieriſche Plump- heit des Koͤrpers abzugewoͤhnen. Jſt dies der Verſtand des Dichters: ſo iſt das quomodo leni- verit hominum animos wohl nichts; ſo iſts wohl kein Gegenſatz: non ſola voce hoc fecit, ſed ca- tus: ſo hat mein Commentator ein Non-ſenſe ge- ſagt. Jſt dies aber nicht der Verſtand des Dich- ters; wollte er ſagen: Merkur habe den Thiermen- ſchen taͤglich eine beredte Predigt gehalten, in der er catus auf die Neigungen und Gemuͤthsart jedes ſeiner reſpektiven Herren Zuhoͤrer geſehen, ſich zu ihnen herabgelaſſen, und nach vollbrachter Predigt
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Zweites Waͤldchen.
Od. X, 3. ſteht unter Merkurs Lobſpruͤchen das
Sabiniſche Wort: catus:
— — qui feros cultus hominum rece ntum
Voce formaſti catus —
und wer weiß, was catus iſt? Hr. Klotz ſoll es
ſagen a). Non ſola voce hoc fecit, ſed eatus h. e.
acutus ſtudia vniuscuiusque ſectatus ad animos
velut deſcendit, et callide ita quemque mouere
ſtuduit, vt illius cupiditates poſcere videbantur.
Entweder ich verſtehe Horaz nicht, oder Hr. Klotz
hat ihn nicht verſtanden. Merkur, denke ich, bil-
dete die erſten Wilden, theils, daß er, der ſcharfſin-
nige Merkur, ihnen Sprache gab; theils daß er
ihre Glieder bildete; jenes, nach der allgemeinen
Tradition, die Menſchen ſeyn durch die Sprache ge-
ſittet geworden; dies, um ihnen die thieriſche Plump-
heit des Koͤrpers abzugewoͤhnen. Jſt dies der
Verſtand des Dichters: ſo iſt das quomodo leni-
verit hominum animos wohl nichts; ſo iſts wohl
kein Gegenſatz: non ſola voce hoc fecit, ſed ca-
tus: ſo hat mein Commentator ein Non-ſenſe ge-
ſagt. Jſt dies aber nicht der Verſtand des Dich-
ters; wollte er ſagen: Merkur habe den Thiermen-
ſchen taͤglich eine beredte Predigt gehalten, in der
er catus auf die Neigungen und Gemuͤthsart jedes
ſeiner reſpektiven Herren Zuhoͤrer geſehen, ſich zu
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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/233>, abgerufen am 18.07.2024.
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