den Strome des Epos, denn mit den einzelnen Bilderchen, die uns ein Abdruck gewährt, einer- lei Wirkung thun? auch nur zu vergleichen seyn? Und die ganze poetische Energie Homers? --
6.
Nochmals gesagt: man müsse auch in Poeten den Gebrauch so aller, so auch der Kunstbelesen- heit (Kunstkenntniß, Philosophie der Kunst, kann ichs wohl bei Hrn. Klotzen kaum nennen) sehr lo- ben, wo er zu rechter Zeit kommt: aber daß eine Jliade in Steinen mehr, als die in Versen, des poetischen Anblicks fähig, mehr als jene zur Bil- dung eines Poeten, oder auch nur zur poetischen Jllusion mit jener gleich energisch sey, das wolle mich niemand bereden. Kunst gewährt Kunst- anblick; der ist mit der successiven Energie des Dichters gar nicht einerlei, kaum zu vergleichen, und Herr Klotz fechte immer in der Stille mit dem Schatten des Laokoons, nie zu verwirren. Jch wollte, daß Hr. Klotz durch seine Gelehrsam- keit und Kunsterläuterungen uns nie die Kraft des Dichters, die sich nur fortgehend äußert, gestöret hätte.
Jch schreibe über Horaz: wer will, der höre mich von meiner Erklärungsmethode dieses Dich- ters schwatzen. Zuerst ist das ausgemacht, daß
keiner
Zweites Waͤldchen.
den Strome des Epos, denn mit den einzelnen Bilderchen, die uns ein Abdruck gewaͤhrt, einer- lei Wirkung thun? auch nur zu vergleichen ſeyn? Und die ganze poetiſche Energie Homers? —
6.
Nochmals geſagt: man muͤſſe auch in Poeten den Gebrauch ſo aller, ſo auch der Kunſtbeleſen- heit (Kunſtkenntniß, Philoſophie der Kunſt, kann ichs wohl bei Hrn. Klotzen kaum nennen) ſehr lo- ben, wo er zu rechter Zeit kommt: aber daß eine Jliade in Steinen mehr, als die in Verſen, des poetiſchen Anblicks faͤhig, mehr als jene zur Bil- dung eines Poeten, oder auch nur zur poetiſchen Jlluſion mit jener gleich energiſch ſey, das wolle mich niemand bereden. Kunſt gewaͤhrt Kunſt- anblick; der iſt mit der ſucceſſiven Energie des Dichters gar nicht einerlei, kaum zu vergleichen, und Herr Klotz fechte immer in der Stille mit dem Schatten des Laokoons, nie zu verwirren. Jch wollte, daß Hr. Klotz durch ſeine Gelehrſam- keit und Kunſterlaͤuterungen uns nie die Kraft des Dichters, die ſich nur fortgehend aͤußert, geſtoͤret haͤtte.
Jch ſchreibe uͤber Horaz: wer will, der hoͤre mich von meiner Erklaͤrungsmethode dieſes Dich- ters ſchwatzen. Zuerſt iſt das ausgemacht, daß
keiner
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Zweites Waͤldchen.
den Strome des Epos, denn mit den einzelnen
Bilderchen, die uns ein Abdruck gewaͤhrt, einer-
lei Wirkung thun? auch nur zu vergleichen ſeyn?
Und die ganze poetiſche Energie Homers? —
6.
Nochmals geſagt: man muͤſſe auch in Poeten
den Gebrauch ſo aller, ſo auch der Kunſtbeleſen-
heit (Kunſtkenntniß, Philoſophie der Kunſt, kann
ichs wohl bei Hrn. Klotzen kaum nennen) ſehr lo-
ben, wo er zu rechter Zeit kommt: aber daß eine
Jliade in Steinen mehr, als die in Verſen, des
poetiſchen Anblicks faͤhig, mehr als jene zur Bil-
dung eines Poeten, oder auch nur zur poetiſchen
Jlluſion mit jener gleich energiſch ſey, das wolle
mich niemand bereden. Kunſt gewaͤhrt Kunſt-
anblick; der iſt mit der ſucceſſiven Energie des
Dichters gar nicht einerlei, kaum zu vergleichen,
und Herr Klotz fechte immer in der Stille mit
dem Schatten des Laokoons, nie zu verwirren.
Jch wollte, daß Hr. Klotz durch ſeine Gelehrſam-
keit und Kunſterlaͤuterungen uns nie die Kraft des
Dichters, die ſich nur fortgehend aͤußert, geſtoͤret
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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/261>, abgerufen am 16.02.2025.
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