Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. Hier also an unserm so unanständig lächerlichen Wer soll sie brechen? Soll Homer seinen Ge- Gedicht a) Iliad. a v. 595.
Zweites Waͤldchen. Hier alſo an unſerm ſo unanſtaͤndig laͤcherlichen Wer ſoll ſie brechen? Soll Homer ſeinen Ge- Gedicht a) Iliad. ἁ v. 595.
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Zweites Waͤldchen.
Hier alſo an unſerm ſo unanſtaͤndig laͤcherlichen
Orte a) — was war geſchehen? Jupiter erſcheint
mit aller Ehrfurcht der Goͤtter im Olymp, und die
gebieteriſche Juno faͤngt uͤber ſeine geheimen Rath-
ſchlaͤge zu zanken an. Der oberſte der Goͤtter ant-
wortet zuerſt groß und unabhaͤngig, und als Juno
fortfaͤhrt und ſeine Rathſchlaͤge offenbaret, zornig
und maͤchtig drohend. Verſtummt vor Furcht,
gebeugt in ihrem Herzen ſitzt die hohe Juno da, und
alle Himmliſchen im Hauſe des Gottes verſammlet,
erſeufzen. Eine ſchauderhafte Stille, eine unru-
hige ſtumme Scene, wie vor einem Ungewitter,
herrſcht im Olymp!
Wer ſoll ſie brechen? Soll Homer ſeinen Ge-
ſang ſchließen, und den Leſer in einer bangen Be-
ſorgniß laſſen, ob nicht auf dies Schaudervolle
Verſtummen nachher wirklich ein Ungewitter erfol-
get? ob nicht etwa die gebietende Juno den Streit
erneuret, und alſo der maͤchtige Zevs ſeine Drohun-
gen erfuͤllet? Unwuͤrdige Beſorgniß! der Hoheit
des epiſchen Gedichts, und dem Zwecke der Homeri-
ſchen Handlung entgegen! Homer, der nirgend
ſeine Handlung abbricht, ſie mit jedem Worte wei-
ter fortfuͤhrt, thaͤte doppelt Unrecht, in ſeinem erſten
Geſange, bei der erſten Verſammlung der Alles
lenkenden Goͤtter uns nicht das Ende ihres Raths
wiſſen zu laſſen, und noch aͤrger uns auf ſein ganzes
Gedicht
a) Iliad. ἁ v. 595.
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