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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

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Zweites Wäldchen.
nischen Scenen für das Rührendste im ganzen Trau-
erspiele gehalten. Wenn Salomo rühren soll: wie
anders, als durch seine heidnischen Zweifel. Wie,
wenn der Trostlose klaget:

Hülfe! Selber meine Freunde
Vermögens nicht. --
Ein Rauch, dem Feind' ein süßer Opferdampf,
Mag dieses Haus verfliegen! meine Kinder
Zerschmettert werden -- --
-- -- ich will es leichter tragen,
Als was mir unter deiner Flügel Schatten,
O Friede! dies mein Herz verzehrt -- das Leben
Zum Tode macht! und kaum des Müden Zuflucht
Den Tod noch bleiben läßt! Sie ist dahin
Die Herrlichkeit, die mir gegeben ward!
Dahin ist meine Weisheit, samt der Ruh,
Die sie mir gab! -- Wenn du es bist, o Moloch!
Vor allen Geistern Moloch du!
Der mir dies alles nahm; womit erzürnt ich dich?
Und hab' ich dich erzürnt, so laß doch endlich
Durchs Blut so vieler Knaben dich versöhnen!

Und bald kommen Sängerinnen Molochs! und
Priester Molochs! und Opfer Molochs! ja selbst
wagt es Klopstock, zween Götzen redend einzuführen.
Jch mag über die letzte Scene nicht urtheilen; aber
die rührendsten Auftritte bleiben in Salomo immer

die
F 2

Zweites Waͤldchen.
niſchen Scenen fuͤr das Ruͤhrendſte im ganzen Trau-
erſpiele gehalten. Wenn Salomo ruͤhren ſoll: wie
anders, als durch ſeine heidniſchen Zweifel. Wie,
wenn der Troſtloſe klaget:

Huͤlfe! Selber meine Freunde
Vermoͤgens nicht. —
Ein Rauch, dem Feind’ ein ſuͤßer Opferdampf,
Mag dieſes Haus verfliegen! meine Kinder
Zerſchmettert werden — —
— — ich will es leichter tragen,
Als was mir unter deiner Fluͤgel Schatten,
O Friede! dies mein Herz verzehrt — das Leben
Zum Tode macht! und kaum des Muͤden Zuflucht
Den Tod noch bleiben laͤßt! Sie iſt dahin
Die Herrlichkeit, die mir gegeben ward!
Dahin iſt meine Weisheit, ſamt der Ruh,
Die ſie mir gab! — Wenn du es biſt, o Moloch!
Vor allen Geiſtern Moloch du!
Der mir dies alles nahm; womit erzuͤrnt ich dich?
Und hab’ ich dich erzuͤrnt, ſo laß doch endlich
Durchs Blut ſo vieler Knaben dich verſoͤhnen!

Und bald kommen Saͤngerinnen Molochs! und
Prieſter Molochs! und Opfer Molochs! ja ſelbſt
wagt es Klopſtock, zween Goͤtzen redend einzufuͤhren.
Jch mag uͤber die letzte Scene nicht urtheilen; aber
die ruͤhrendſten Auftritte bleiben in Salomo immer

die
F 2
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[83/0089] Zweites Waͤldchen. niſchen Scenen fuͤr das Ruͤhrendſte im ganzen Trau- erſpiele gehalten. Wenn Salomo ruͤhren ſoll: wie anders, als durch ſeine heidniſchen Zweifel. Wie, wenn der Troſtloſe klaget: Huͤlfe! Selber meine Freunde Vermoͤgens nicht. — Ein Rauch, dem Feind’ ein ſuͤßer Opferdampf, Mag dieſes Haus verfliegen! meine Kinder Zerſchmettert werden — — — — ich will es leichter tragen, Als was mir unter deiner Fluͤgel Schatten, O Friede! dies mein Herz verzehrt — das Leben Zum Tode macht! und kaum des Muͤden Zuflucht Den Tod noch bleiben laͤßt! Sie iſt dahin Die Herrlichkeit, die mir gegeben ward! Dahin iſt meine Weisheit, ſamt der Ruh, Die ſie mir gab! — Wenn du es biſt, o Moloch! Vor allen Geiſtern Moloch du! Der mir dies alles nahm; womit erzuͤrnt ich dich? Und hab’ ich dich erzuͤrnt, ſo laß doch endlich Durchs Blut ſo vieler Knaben dich verſoͤhnen! Und bald kommen Saͤngerinnen Molochs! und Prieſter Molochs! und Opfer Molochs! ja ſelbſt wagt es Klopſtock, zween Goͤtzen redend einzufuͤhren. Jch mag uͤber die letzte Scene nicht urtheilen; aber die ruͤhrendſten Auftritte bleiben in Salomo immer die F 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/89>, abgerufen am 22.11.2024.