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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.
steller gemein haben, als was er mit ihnen gemein
hat, und mit ihnen das nicht gemein haben, was
er mit ihnen nicht gemein hat, und alles dies läuft
in die kleinzähligen Brüche von Absichten, von Em-
pfindungen ein, deren Aesthetometrie ich nicht verstehe.

"Jch rechne mir den aufrichtigen Wunsch,
"daß die gründlige Gelehrsamkeit etc. in meinem
"Vaterlande ausgebreitet werde, zu einem Ver-
"dienste
an, dessen Werth ich nie verkennen
"werde und dessen Bewußtseyn
mir den Man-
"gel andrer Verdienste ersetzen muß u. s. w.
Wie? so ist dies der ganze Unterschied des Ver-
fassers von den vorigen Schriftstellern? So
ist ein Wunsch, ein krüppelhafter Wunsch schon
ein Verdienst? ein Verdienst, das man sich selbst
vor den Augen des Publikum anrechnen, so kühn
anrechnen kann, daß es der Welt bei dem Anfange
der Schrift dreust vorschwöre "ein Verdienst, des-
"sen Werth ich nie verkennen werde, dessen Be-
"wußtseyn mir den Mangel andrer Verdienste er-
"setzen muß" Und das alles ein Wunsch: Und das
alles heißt Urbanität, guter Ton, Patriotismus? --

"Eben um deßwillen halte ich es auch für mei-
"ne Pflicht, die Lehrer der Wissenschaften auf ge-
"wisse Mittel, wodurch sie sich diesem Endzwecke,
"der auf das Wohl unsrer Mitbürger und das Glück
"der Nachkommenschaft abzielt, nähern können,
"aufmerksamer
zu machen, als sie es bisher ge-
"wesen find, oder vielmehr haben seyn können."

-- Und

Kritiſche Waͤlder.
ſteller gemein haben, als was er mit ihnen gemein
hat, und mit ihnen das nicht gemein haben, was
er mit ihnen nicht gemein hat, und alles dies laͤuft
in die kleinzaͤhligen Bruͤche von Abſichten, von Em-
pfindungen ein, deren Aeſthetometrie ich nicht verſtehe.

Jch rechne mir den aufrichtigen Wunſch,
„daß die gruͤndlige Gelehrſamkeit ꝛc. in meinem
„Vaterlande ausgebreitet werde, zu einem Ver-
„dienſte
an, deſſen Werth ich nie verkennen
„werde und deſſen Bewußtſeyn
mir den Man-
„gel andrer Verdienſte erſetzen muß u. ſ. w.
Wie? ſo iſt dies der ganze Unterſchied des Ver-
faſſers von den vorigen Schriftſtellern? So
iſt ein Wunſch, ein kruͤppelhafter Wunſch ſchon
ein Verdienſt? ein Verdienſt, das man ſich ſelbſt
vor den Augen des Publikum anrechnen, ſo kuͤhn
anrechnen kann, daß es der Welt bei dem Anfange
der Schrift dreuſt vorſchwoͤre „ein Verdienſt, deſ-
„ſen Werth ich nie verkennen werde, deſſen Be-
„wußtſeyn mir den Mangel andrer Verdienſte er-
„ſetzen muß„ Und das alles ein Wunſch: Und das
alles heißt Urbanitaͤt, guter Ton, Patriotismus? —

„Eben um deßwillen halte ich es auch fuͤr mei-
„ne Pflicht, die Lehrer der Wiſſenſchaften auf ge-
„wiſſe Mittel, wodurch ſie ſich dieſem Endzwecke,
„der auf das Wohl unſrer Mitbuͤrger und das Gluͤck
„der Nachkommenſchaft abzielt, naͤhern koͤnnen,
„aufmerkſamer
zu machen, als ſie es bisher ge-
„weſen find, oder vielmehr haben ſeyn koͤnnen.

— Und
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[180/0186] Kritiſche Waͤlder. ſteller gemein haben, als was er mit ihnen gemein hat, und mit ihnen das nicht gemein haben, was er mit ihnen nicht gemein hat, und alles dies laͤuft in die kleinzaͤhligen Bruͤche von Abſichten, von Em- pfindungen ein, deren Aeſthetometrie ich nicht verſtehe. „Jch rechne mir den aufrichtigen Wunſch, „daß die gruͤndlige Gelehrſamkeit ꝛc. in meinem „Vaterlande ausgebreitet werde, zu einem Ver- „dienſte an, deſſen Werth ich nie verkennen „werde und deſſen Bewußtſeyn mir den Man- „gel andrer Verdienſte erſetzen muß u. ſ. w. Wie? ſo iſt dies der ganze Unterſchied des Ver- faſſers von den vorigen Schriftſtellern? So iſt ein Wunſch, ein kruͤppelhafter Wunſch ſchon ein Verdienſt? ein Verdienſt, das man ſich ſelbſt vor den Augen des Publikum anrechnen, ſo kuͤhn anrechnen kann, daß es der Welt bei dem Anfange der Schrift dreuſt vorſchwoͤre „ein Verdienſt, deſ- „ſen Werth ich nie verkennen werde, deſſen Be- „wußtſeyn mir den Mangel andrer Verdienſte er- „ſetzen muß„ Und das alles ein Wunſch: Und das alles heißt Urbanitaͤt, guter Ton, Patriotismus? — „Eben um deßwillen halte ich es auch fuͤr mei- „ne Pflicht, die Lehrer der Wiſſenſchaften auf ge- „wiſſe Mittel, wodurch ſie ſich dieſem Endzwecke, „der auf das Wohl unſrer Mitbuͤrger und das Gluͤck „der Nachkommenſchaft abzielt, naͤhern koͤnnen, „aufmerkſamer zu machen, als ſie es bisher ge- „weſen find, oder vielmehr haben ſeyn koͤnnen.„ — Und

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/186>, abgerufen am 04.12.2024.