"wir zur Verbesserung der schönen Wissen- "schaften, so zu sagen, den Weg über die "Metaphysik genommen haben."
Jn diesen Gesichtspunkten hat unsre Spra- che vor der Französischen voraus, und sollte es also Gelehrten nöthig geschienen haben, diese Freiheiten aufzuopfern: "seit dem sie "Philosophie und Französische Sprache studirt "hätten."* Philosophie und Französische Sprache -- ein Paar, was sich hier sehr fremde zusammen findet.
14.
Es ist gut, daß ein Franzose es nicht unter- nimmt, über unsre Sylbenmaasse zu urthei- len: sein Ohr ist zu einer Monotonie ver- wöhnt, und es würde ihm, wie einem unge- lenkigen Alten, gehen, der seinen muntern Kna- ben das Springen verbeut, weil er selbst nicht mit springen kann. Einem Franzosen kann man es schwerlich begreiflich machen, "daß "unsre lange und kurze Sylben von so ver- "schiedener Art sind, daß man, um diese Nuan-
"cen
* Th. 16. p. 20.
„wir zur Verbeſſerung der ſchoͤnen Wiſſen- „ſchaften, ſo zu ſagen, den Weg uͤber die „Metaphyſik genommen haben.„
Jn dieſen Geſichtspunkten hat unſre Spra- che vor der Franzoͤſiſchen voraus, und ſollte es alſo Gelehrten noͤthig geſchienen haben, dieſe Freiheiten aufzuopfern: „ſeit dem ſie „Philoſophie und Franzoͤſiſche Sprache ſtudirt „haͤtten.„* Philoſophie und Franzoͤſiſche Sprache — ein Paar, was ſich hier ſehr fremde zuſammen findet.
14.
Es iſt gut, daß ein Franzoſe es nicht unter- nimmt, uͤber unſre Sylbenmaaſſe zu urthei- len: ſein Ohr iſt zu einer Monotonie ver- woͤhnt, und es wuͤrde ihm, wie einem unge- lenkigen Alten, gehen, der ſeinen muntern Kna- ben das Springen verbeut, weil er ſelbſt nicht mit ſpringen kann. Einem Franzoſen kann man es ſchwerlich begreiflich machen, „daß „unſre lange und kurze Sylben von ſo ver- „ſchiedener Art ſind, daß man, um dieſe Nuan-
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* Th. 16. p. 20.
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„wir zur Verbeſſerung der ſchoͤnen Wiſſen-
„ſchaften, ſo zu ſagen, den Weg uͤber die
„Metaphyſik genommen haben.„
Jn dieſen Geſichtspunkten hat unſre Spra-
che vor der Franzoͤſiſchen voraus, und ſollte
es alſo Gelehrten noͤthig geſchienen haben,
dieſe Freiheiten aufzuopfern: „ſeit dem ſie
„Philoſophie und Franzoͤſiſche Sprache ſtudirt
„haͤtten.„ * Philoſophie und Franzoͤſiſche
Sprache — ein Paar, was ſich hier ſehr
fremde zuſammen findet.
14.
Es iſt gut, daß ein Franzoſe es nicht unter-
nimmt, uͤber unſre Sylbenmaaſſe zu urthei-
len: ſein Ohr iſt zu einer Monotonie ver-
woͤhnt, und es wuͤrde ihm, wie einem unge-
lenkigen Alten, gehen, der ſeinen muntern Kna-
ben das Springen verbeut, weil er ſelbſt nicht
mit ſpringen kann. Einem Franzoſen kann
man es ſchwerlich begreiflich machen, „daß
„unſre lange und kurze Sylben von ſo ver-
„ſchiedener Art ſind, daß man, um dieſe Nuan-
„cen
* Th. 16. p. 20.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/112>, abgerufen am 16.02.2025.
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