Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.ben wir wirklich mehr Selbstlauter, als fünfe: sezzen
ben wir wirklich mehr Selbſtlauter, als fuͤnfe: ſezzen
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ben wir wirklich mehr Selbſtlauter, als fuͤnfe:
weil dieſe fuͤnfe mit verſchiedener Hoͤhe und Tie-
fe, Laͤnge und Kuͤrze ausgedruckt werden.
Daß wir nun nicht fuͤr dieſe Zwiſchenlaute
neue Zeichen, wenigſtens Unterſcheidungen ha-
ben; iſt eine große Unvollkommenheit unſrer
Orthographie, die unter allen mir bekannten
Europaͤiſchen Sprachen die lezte und fuͤr ei-
nen Lehrling die ſchwerſte ſeyn doͤrfte. Wer
wird Meer und mehr, Zehn, Zeen, Zaͤhn, zaͤ-
he u. ſ. w. als Fremdling beſtimmt finden?
Was wir bei J zuviel an Zeichen haben, iſt
bei A und E zu wenig. — Und brauchen wir
Accente nicht noch immer, obgleich unſre Spra-
che kurzſylbig und eintoͤnig iſt? Der Laͤcherli-
che Fehler mit Géſ-pen-ſtern, ſtatt Ge-
ſpénſtern; mit vérg-lich, ſtatt ver-glìch;
mit Enter-bẽter, ſtatt Ent-érbeter: iſt
doch bei Lehrlingen immer moͤglich, da er uns
gebohrnen Deutſchen manchmal in Gedanken
und bei verzerrtem Druck, oder verzerrter
Hand anwandeln kann. Bei vielen Woͤrtern
aͤndert ſich ja die Bedeutung ſelbſt; z. E.
Unterhálten (entreténir) und únterhalten
(ſuppoſer), uͤberſézzen (vertere) und í eber-
ſezzen
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