Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

"Jdee; oder 2) durch Zwischensezzung kleiner
"Worte, oder 3) durch die bloße Stellung der
"Jdeen anzeigen wolle. Denn diese drei
"Fälle sind, glaube ich, blos möglich." Der
erste Fall ist der einfachste, und bei dem An-
fange jeder Sprache der geradeste gewesen;
er ist daher noch bei den heutigen Sprachen
von antikem Karakter sehr sichtbar; gut für
Dichter, aber unphilosophisch. Der mit-
telste ist am üblichsten, bei der Deutschen
Sprache sehr gebräuchlich; und für die Spra-
che des gemeinen Lebens bequem. Aber weil
diese zwischengeschobene kleine Worte nicht Ac-
cent gnug haben, und doch nicht wie die
wenigen Wörterchen der alten Griechen, auch
nicht ganz ohne Accent sind; so entstehet dar-
aus die Unbestimmtheit der Prosodie, die un-
sern neuen Sprachen so lästig fällt. -- Der
dritte Fall ist der philosophischvollkommene;
und wenn Leibnizens allgemeine Sprache
ja möglich wäre; so wäre es eine Algebra,
wo die Verbindung der Jdeen sehr von ihren
Stellung abhienge.

"2) Was für Gesezze man zur Folge einer
"gewissen Anzahl von Jdeen, die in Verbin-

"dung

„Jdee; oder 2) durch Zwiſchenſezzung kleiner
„Worte, oder 3) durch die bloße Stellung der
„Jdeen anzeigen wolle. Denn dieſe drei
„Faͤlle ſind, glaube ich, blos moͤglich.„ Der
erſte Fall iſt der einfachſte, und bei dem An-
fange jeder Sprache der geradeſte geweſen;
er iſt daher noch bei den heutigen Sprachen
von antikem Karakter ſehr ſichtbar; gut fuͤr
Dichter, aber unphiloſophiſch. Der mit-
telſte iſt am uͤblichſten, bei der Deutſchen
Sprache ſehr gebraͤuchlich; und fuͤr die Spra-
che des gemeinen Lebens bequem. Aber weil
dieſe zwiſchengeſchobene kleine Worte nicht Ac-
cent gnug haben, und doch nicht wie die
wenigen Woͤrterchen der alten Griechen, auch
nicht ganz ohne Accent ſind; ſo entſtehet dar-
aus die Unbeſtimmtheit der Proſodie, die un-
ſern neuen Sprachen ſo laͤſtig faͤllt. — Der
dritte Fall iſt der philoſophiſchvollkommene;
und wenn Leibnizens allgemeine Sprache
ja moͤglich waͤre; ſo waͤre es eine Algebra,
wo die Verbindung der Jdeen ſehr von ihren
Stellung abhienge.

„2) Was fuͤr Geſezze man zur Folge einer
„gewiſſen Anzahl von Jdeen, die in Verbin-

„dung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="168"/>
&#x201E;Jdee; oder 2) durch Zwi&#x017F;chen&#x017F;ezzung kleiner<lb/>
&#x201E;Worte, oder 3) durch die bloße Stellung der<lb/>
&#x201E;Jdeen anzeigen wolle. Denn die&#x017F;e drei<lb/>
&#x201E;Fa&#x0364;lle &#x017F;ind, glaube ich, blos mo&#x0364;glich.&#x201E; Der<lb/>
er&#x017F;te Fall i&#x017F;t der einfach&#x017F;te, und bei dem An-<lb/>
fange jeder Sprache der gerade&#x017F;te gewe&#x017F;en;<lb/>
er i&#x017F;t daher noch bei den heutigen Sprachen<lb/>
von antikem Karakter &#x017F;ehr &#x017F;ichtbar; gut fu&#x0364;r<lb/>
Dichter, aber unphilo&#x017F;ophi&#x017F;ch. Der mit-<lb/>
tel&#x017F;te i&#x017F;t am u&#x0364;blich&#x017F;ten, bei der Deut&#x017F;chen<lb/>
Sprache &#x017F;ehr gebra&#x0364;uchlich; und fu&#x0364;r die Spra-<lb/>
che des gemeinen Lebens bequem. Aber weil<lb/>
die&#x017F;e zwi&#x017F;chenge&#x017F;chobene kleine Worte nicht Ac-<lb/>
cent gnug haben, und doch nicht wie die<lb/>
wenigen Wo&#x0364;rterchen der alten Griechen, auch<lb/>
nicht ganz ohne Accent &#x017F;ind; &#x017F;o ent&#x017F;tehet dar-<lb/>
aus die Unbe&#x017F;timmtheit der Pro&#x017F;odie, die un-<lb/>
&#x017F;ern neuen Sprachen &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;tig fa&#x0364;llt. &#x2014; Der<lb/>
dritte Fall i&#x017F;t der philo&#x017F;ophi&#x017F;chvollkommene;<lb/>
und wenn <hi rendition="#fr">Leibnizens allgemeine Sprache</hi><lb/>
ja mo&#x0364;glich wa&#x0364;re; &#x017F;o wa&#x0364;re es eine <hi rendition="#fr">Algebra,</hi><lb/>
wo die Verbindung der Jdeen &#x017F;ehr von ihren<lb/>
Stellung abhienge.</p><lb/>
        <p>&#x201E;2) Was fu&#x0364;r Ge&#x017F;ezze man zur Folge einer<lb/>
&#x201E;gewi&#x017F;&#x017F;en Anzahl von Jdeen, die in Verbin-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;dung</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0172] „Jdee; oder 2) durch Zwiſchenſezzung kleiner „Worte, oder 3) durch die bloße Stellung der „Jdeen anzeigen wolle. Denn dieſe drei „Faͤlle ſind, glaube ich, blos moͤglich.„ Der erſte Fall iſt der einfachſte, und bei dem An- fange jeder Sprache der geradeſte geweſen; er iſt daher noch bei den heutigen Sprachen von antikem Karakter ſehr ſichtbar; gut fuͤr Dichter, aber unphiloſophiſch. Der mit- telſte iſt am uͤblichſten, bei der Deutſchen Sprache ſehr gebraͤuchlich; und fuͤr die Spra- che des gemeinen Lebens bequem. Aber weil dieſe zwiſchengeſchobene kleine Worte nicht Ac- cent gnug haben, und doch nicht wie die wenigen Woͤrterchen der alten Griechen, auch nicht ganz ohne Accent ſind; ſo entſtehet dar- aus die Unbeſtimmtheit der Proſodie, die un- ſern neuen Sprachen ſo laͤſtig faͤllt. — Der dritte Fall iſt der philoſophiſchvollkommene; und wenn Leibnizens allgemeine Sprache ja moͤglich waͤre; ſo waͤre es eine Algebra, wo die Verbindung der Jdeen ſehr von ihren Stellung abhienge. „2) Was fuͤr Geſezze man zur Folge einer „gewiſſen Anzahl von Jdeen, die in Verbin- „dung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/172
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/172>, abgerufen am 18.12.2024.