Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.auf einmal die Tugenden aller Alter an sich Eine Sprache in ihrer Kindheit bricht stehen
auf einmal die Tugenden aller Alter an ſich Eine Sprache in ihrer Kindheit bricht ſtehen
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auf einmal die Tugenden aller Alter an ſich
haben. Verkehrte Verſuche, die ſchaͤdlich wuͤr-
den, wenn nicht die Natur mit vielen nach-
theiligen Entwuͤrfen einen Grad von Schwaͤ-
che verbunden haͤtte, der ſie zuruͤckhaͤlt. Ein
junger Greis, und ein Knabe, der ein Mann
iſt, ſind unleidlich, und ein Ungeheuer, das
alles auf einmal ſeyn will, iſt nichts ganz.
Eine Sprache in ihrer Kindheit bricht
wie ein Kind, einſylbichte, rauhe und hohe Toͤ-
ne hervor. Eine Nation in ihrem erſten wil-
den Urſprunge ſtarret, wie ein Kind, alle Ge-
genſtaͤnde an; Schrecken, Furcht und als-
denn Bewunderung ſind die Empfindungen,
derer beide allein faͤhig ſind, und die Sprache
dieſer Empfindungen ſind Toͤne, — und Ge-
berden. Zu den Toͤnen ſind ihre Werkzeuge
noch ungebraucht: folglich ſind jene hoch
und maͤchtig an Accenten; Toͤne und Geber-
den ſind Zeichen von Leidenſchaften und Em-
pfindungen, folglich ſind ſie heftig und ſtark:
ihre Sprache ſpricht fuͤr Auge und Ohr, fuͤr
Sinne und Leidenſchaften: ſie ſind groͤßerer
Leidenſchaften faͤhig, weil ihre Lebensart voll
Gefahr und Tod und Wildheit iſt: ſie ver-
ſtehen
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