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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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kann, ist mehr Kunst und Feinheit: Schil-
derung und Sprache. Ahmen wir nun blos
dem leztern nach, so entstehet ein peior pro-
genies
von Landdichtern, die ewig schildern
und langweilig schwazzen: wie Geßner vie-
le solche schon hervorgebracht.

Drittens: Da unsere Laune mehr das
Denken, als Beobachten ist: so versäumen
wir bei der bloßen Nachahmung der Neuern
sehr leicht das lezte, und vertiefen uns in
Jdealische Träume, statt wie der Griechische
Zevxes wirkliche Naturbilder zu studiren. Zu
schwach alsdenn, das höchste zu erfliegen,
und zufrieden, wenn wir statt eines Griechi-
schen Gefühls lieber Französischen leichten
Geschmack haben: bringen wir Misge-
burten zur Welt, die ausschweifend auf der
einen, und ohne Jnteresse auf der andern
Seite sind: unbestimmte Mittelarten zwischen
Engeln und sinnlichen Geschöpfen. Aber de-
sto mehr Liebhaber finden sie oft: weil ein
frommer lieber Leser, und ein unreifer
feuriger Jüngling sie beide umarmen, ob sie
gleich der Kenner verwirft.

End-

kann, iſt mehr Kunſt und Feinheit: Schil-
derung und Sprache. Ahmen wir nun blos
dem leztern nach, ſo entſtehet ein peior pro-
genies
von Landdichtern, die ewig ſchildern
und langweilig ſchwazzen: wie Geßner vie-
le ſolche ſchon hervorgebracht.

Drittens: Da unſere Laune mehr das
Denken, als Beobachten iſt: ſo verſaͤumen
wir bei der bloßen Nachahmung der Neuern
ſehr leicht das lezte, und vertiefen uns in
Jdealiſche Traͤume, ſtatt wie der Griechiſche
Zevxes wirkliche Naturbilder zu ſtudiren. Zu
ſchwach alsdenn, das hoͤchſte zu erfliegen,
und zufrieden, wenn wir ſtatt eines Griechi-
ſchen Gefuͤhls lieber Franzoͤſiſchen leichten
Geſchmack haben: bringen wir Misge-
burten zur Welt, die ausſchweifend auf der
einen, und ohne Jntereſſe auf der andern
Seite ſind: unbeſtimmte Mittelarten zwiſchen
Engeln und ſinnlichen Geſchoͤpfen. Aber de-
ſto mehr Liebhaber finden ſie oft: weil ein
frommer lieber Leſer, und ein unreifer
feuriger Juͤngling ſie beide umarmen, ob ſie
gleich der Kenner verwirft.

End-
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[368/0200] kann, iſt mehr Kunſt und Feinheit: Schil- derung und Sprache. Ahmen wir nun blos dem leztern nach, ſo entſtehet ein peior pro- genies von Landdichtern, die ewig ſchildern und langweilig ſchwazzen: wie Geßner vie- le ſolche ſchon hervorgebracht. Drittens: Da unſere Laune mehr das Denken, als Beobachten iſt: ſo verſaͤumen wir bei der bloßen Nachahmung der Neuern ſehr leicht das lezte, und vertiefen uns in Jdealiſche Traͤume, ſtatt wie der Griechiſche Zevxes wirkliche Naturbilder zu ſtudiren. Zu ſchwach alsdenn, das hoͤchſte zu erfliegen, und zufrieden, wenn wir ſtatt eines Griechi- ſchen Gefuͤhls lieber Franzoͤſiſchen leichten Geſchmack haben: bringen wir Misge- burten zur Welt, die ausſchweifend auf der einen, und ohne Jntereſſe auf der andern Seite ſind: unbeſtimmte Mittelarten zwiſchen Engeln und ſinnlichen Geſchoͤpfen. Aber de- ſto mehr Liebhaber finden ſie oft: weil ein frommer lieber Leſer, und ein unreifer feuriger Juͤngling ſie beide umarmen, ob ſie gleich der Kenner verwirft. End-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/200>, abgerufen am 21.11.2024.