Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767."Theokritschen Vers nur sehr wenig ver- Aber Theokrit kann er uns nicht seyn. Zweitens: was ein Genie bildet, ist kann,
„Theokritſchen Vers nur ſehr wenig ver- Aber Theokrit kann er uns nicht ſeyn. Zweitens: was ein Genie bildet, iſt kann,
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„Theokritſchen Vers nur ſehr wenig ver-
„miſſen.„ Jch preiſe ihn allen Dentſchen
an, von ihm Weisheit im Plan, Schoͤnheit
in der Auszierung, die leichteſte Staͤrke im
Ausdruck, und die ſchoͤne Nachlaͤßigkeit zu ler-
nen, womit er die Natur malet.
Aber Theokrit kann er uns nicht ſeyn.
Jm Geiſt der Jdyllen muß er nicht unſer
Lehrer, unſer Original, und noch weniger un-
ſer einziges Original ſeyn! Und das aus drei
Gruͤnden: Zuerſt wuͤrden dadurch blos arme
trockne Nachahmungen erzeugt, an ſtatt daß
aus Theokrit noch neben ihm Originale gebil-
det werden koͤnnen, die eine neue und eigenthuͤm-
liche Art der Verſchoͤnerung nach dem Ge-
ſchmack unſrer Zeit haben koͤnnen, wenn ſie
Genies ſind. Die Natur, der Theokrit
naͤher iſt, kann als eine Mutter mit vielen
Bruͤſten, noch viele Geiſter traͤnken, und wer
trinkt nicht lieber aus der Quelle, als aus ei-
nem Bach?
Zweitens: was ein Genie bildet, iſt
vorzuͤglicher im Theokrit: Leidenſchaft, und
Empfindung; was uns Geßner zeigen
kann,
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