denke, schließe, beweise, eintheile, und also denken, schließen, beweisen, eintheilen lerne. Aber Zwecke müssen sie nicht seyn; daß ich blos diese Worte verstehen, und ausdrücken könne: wer dies zu seinem Ziel erwählt, kann allerdings ein guter Jnterpres der Philosophie, ein brauchbarer Mann, angenehm in Schrif- ten, und berühmt im Vortrage seyn; aber im schärfsten Verstande so wenig ein Philo- soph, als Warburton und Johnson Poe- ten sind, weil sie über Pope und Shake- spear commentiren. Reiflich erwogen ist der Name eines wahren Weltweisen, eines Er- finders in der Philosophie so eine Seltenheit, als der Name eines wahren Dichters: nur daß freilich unsre Zeit geschickter ist, jenen, als diesen, hervorzubringen. "Die nemlichen Ur- "sachen erzeigen beiderlei Arten von Gewür- "me, elende Dichter und elende Philosophen. "Es sind immer Worte ohne Geist, Methode "ohne innere Erleuchtung, Redensarten ohne "Gefühl, die sie von ihren Meistern auf gu- "ten und blinden Glauben annehmen, aus de- "ren Vermischung nimmermehr ein begeister- "tes Ganze entstehen kann. Zu Wolfens
Zeiten
denke, ſchließe, beweiſe, eintheile, und alſo denken, ſchließen, beweiſen, eintheilen lerne. Aber Zwecke muͤſſen ſie nicht ſeyn; daß ich blos dieſe Worte verſtehen, und ausdruͤcken koͤnne: wer dies zu ſeinem Ziel erwaͤhlt, kann allerdings ein guter Jnterpres der Philoſophie, ein brauchbarer Mann, angenehm in Schrif- ten, und beruͤhmt im Vortrage ſeyn; aber im ſchaͤrfſten Verſtande ſo wenig ein Philo- ſoph, als Warburton und Johnſon Poe- ten ſind, weil ſie uͤber Pope und Shake- ſpear commentiren. Reiflich erwogen iſt der Name eines wahren Weltweiſen, eines Er- finders in der Philoſophie ſo eine Seltenheit, als der Name eines wahren Dichters: nur daß freilich unſre Zeit geſchickter iſt, jenen, als dieſen, hervorzubringen. „Die nemlichen Ur- „ſachen erzeigen beiderlei Arten von Gewuͤr- „me, elende Dichter und elende Philoſophen. „Es ſind immer Worte ohne Geiſt, Methode „ohne innere Erleuchtung, Redensarten ohne „Gefuͤhl, die ſie von ihren Meiſtern auf gu- „ten und blinden Glauben annehmen, aus de- „ren Vermiſchung nimmermehr ein begeiſter- „tes Ganze entſtehen kann. Zu Wolfens
Zeiten
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denke, ſchließe, beweiſe, eintheile, und alſo
denken, ſchließen, beweiſen, eintheilen lerne.
Aber Zwecke muͤſſen ſie nicht ſeyn; daß ich
blos dieſe Worte verſtehen, und ausdruͤcken
koͤnne: wer dies zu ſeinem Ziel erwaͤhlt, kann
allerdings ein guter Jnterpres der Philoſophie,
ein brauchbarer Mann, angenehm in Schrif-
ten, und beruͤhmt im Vortrage ſeyn; aber
im ſchaͤrfſten Verſtande ſo wenig ein Philo-
ſoph, als Warburton und Johnſon Poe-
ten ſind, weil ſie uͤber Pope und Shake-
ſpear commentiren. Reiflich erwogen iſt der
Name eines wahren Weltweiſen, eines Er-
finders in der Philoſophie ſo eine Seltenheit,
als der Name eines wahren Dichters: nur
daß freilich unſre Zeit geſchickter iſt, jenen, als
dieſen, hervorzubringen. „Die nemlichen Ur-
„ſachen erzeigen beiderlei Arten von Gewuͤr-
„me, elende Dichter und elende Philoſophen.
„Es ſind immer Worte ohne Geiſt, Methode
„ohne innere Erleuchtung, Redensarten ohne
„Gefuͤhl, die ſie von ihren Meiſtern auf gu-
„ten und blinden Glauben annehmen, aus de-
„ren Vermiſchung nimmermehr ein begeiſter-
„tes Ganze entſtehen kann. Zu Wolfens
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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