liert: so sey das Abgegangene gewiß Schla- cken, sie mögen so glänzen und locken, als sie wollen. Jch gebe es zu, daß jeder Lehrer seinen Lehrbegriff in aller Kürze und Strenge überschauen müsse, und wenn die lateinische Sprache zu dieser Kürze und Strenge hilft und bildet: so müsse er sie ganz in sich geso- gen haben. Jch gebe es zu, daß wir uns unsre Gelehrsamkeit weitläuftiger und schwe- rer machen, wenn jede Nation, allgemeine dogmatische Wahrheiten in ihrer Mutter- sprache schreibt, und daß, wenn die Litteratur auf diesem Wege fortgeht, wir bald nicht blos Französisch, Englisch und Jtaliänisch, sondern auch Schwedisch, Dänisch, Hollän- disch, Spanisch, Rußisch u. s. w. werden lernen müssen, wenn wir die Erfindungen werden wissen wollen, die dem ganzen Markt der Gelehrsamkeit zugehören. Jch sage also mit Geßner:An vti Germanica lingua convenit in praelectionibus Academicis? Serum est interrogare. Quaeramus po- tius, an non in aliquam partem honoris sui restitui possit Latina?
Hie-
liert: ſo ſey das Abgegangene gewiß Schla- cken, ſie moͤgen ſo glaͤnzen und locken, als ſie wollen. Jch gebe es zu, daß jeder Lehrer ſeinen Lehrbegriff in aller Kuͤrze und Strenge uͤberſchauen muͤſſe, und wenn die lateiniſche Sprache zu dieſer Kuͤrze und Strenge hilft und bildet: ſo muͤſſe er ſie ganz in ſich geſo- gen haben. Jch gebe es zu, daß wir uns unſre Gelehrſamkeit weitlaͤuftiger und ſchwe- rer machen, wenn jede Nation, allgemeine dogmatiſche Wahrheiten in ihrer Mutter- ſprache ſchreibt, und daß, wenn die Litteratur auf dieſem Wege fortgeht, wir bald nicht blos Franzoͤſiſch, Engliſch und Jtaliaͤniſch, ſondern auch Schwediſch, Daͤniſch, Hollaͤn- diſch, Spaniſch, Rußiſch u. ſ. w. werden lernen muͤſſen, wenn wir die Erfindungen werden wiſſen wollen, die dem ganzen Markt der Gelehrſamkeit zugehoͤren. Jch ſage alſo mit Geßner:An vti Germanica lingua convenit in praelectionibus Academicis? Serum eſt interrogare. Quaeramus po- tius, an non in aliquam partem honoris ſui reſtitui poſſit Latina?
Hie-
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liert: ſo ſey das Abgegangene gewiß Schla-
cken, ſie moͤgen ſo glaͤnzen und locken, als ſie
wollen. Jch gebe es zu, daß jeder Lehrer
ſeinen Lehrbegriff in aller Kuͤrze und Strenge
uͤberſchauen muͤſſe, und wenn die lateiniſche
Sprache zu dieſer Kuͤrze und Strenge hilft
und bildet: ſo muͤſſe er ſie ganz in ſich geſo-
gen haben. Jch gebe es zu, daß wir uns
unſre Gelehrſamkeit weitlaͤuftiger und ſchwe-
rer machen, wenn jede Nation, allgemeine
dogmatiſche Wahrheiten in ihrer Mutter-
ſprache ſchreibt, und daß, wenn die Litteratur
auf dieſem Wege fortgeht, wir bald nicht
blos Franzoͤſiſch, Engliſch und Jtaliaͤniſch,
ſondern auch Schwediſch, Daͤniſch, Hollaͤn-
diſch, Spaniſch, Rußiſch u. ſ. w. werden
lernen muͤſſen, wenn wir die Erfindungen
werden wiſſen wollen, die dem ganzen Markt
der Gelehrſamkeit zugehoͤren. Jch ſage alſo
mit Geßner: An vti Germanica lingua
convenit in praelectionibus Academicis?
Serum eſt interrogare. Quaeramus po-
tius, an non in aliquam partem honoris
ſui reſtitui poſſit Latina?
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/126>, abgerufen am 09.11.2024.
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